Entscheidungsstichwort (Thema)
Objektive Kooperationsfähigkeit und "gelebte" Kooperationsbereitschaft als unabdingbare Voraussetzungen für eine gemeinsame elterliche Sorge
Verfahrensgang
AG Neumünster (Beschluss vom 21.08.2013; Aktenzeichen 41 F 173/13) |
AG Neumünster (Beschluss vom 20.08.2013; Aktenzeichen 41 F 173/13) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Neumünster vom 20./21.8.2013 unter Zurückweisung des Antrags des Kindesvaters geändert:
Das Sorgerecht für das Kind Lukas Johannes D., geb. am 27.1.2006, verbleibt allein bei der Kindesmutter.
II. Der Kindesvater hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.
Gründe
I. Der Kindesvater, der mit der Kindesmutter bis März 2008 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt hat, begehrt - nach ablehnender Entscheidung durch den Senat vom 1.7.2011 - die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge für Lukas.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen. Außerdem wird Bezug genommen auf den oben genannten Beschluss des Senats im Verfahren 15 UF 57/11. Ergänzend gilt folgendes:
Die Kindeseltern nahmen folgende gemeinsame Gesprächstermine bei der Erziehungsberatungsstelle Kaltenkirchen/Bad Bramstedt wahr: Am 25.7.2011, 7.10.2011, 6.1.2012, 24.1.2012, 31.7.2012 und 8.5.2013. Der für den 10.7.2013 vereinbarte Termin fiel wegen Erkrankung des Gesprächsleiters aus. Ein Folgetermin fand am 2.10.2013 statt.
Während des Aufenthalts beim Kindesvater in den Sommerferien 2013 musste Lukas sich jedenfalls zwei Mal übergeben - nach der Behauptung der Kindesmutter waren es vier Mal. Der Kindesvater teilte dies der Kindesmutter nicht mit. Er erklärt die fehlende Mitteilung damit, dass die Übergabe von Lukas von Auto zu Auto stattgefunden habe und diese Vorfälle dabei untergegangen seien.
Das Jugendamt hat vor dem AG in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 26.6.2013 zum Antrag des Kindesvaters ausgeführt, die Kommunikationsstörungen zwischen den Kindeseltern hätten noch ein hohes Maß und die Fähigkeit, Lösungen ohne pädagogische oder juristische Hilfe zu entwickeln, stelle sich als äußert gering dar. Fraglich erscheine die Kompetenz der Eltern, künftig für Lukas in allen Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung ein gegenseitiges Einvernehmen zu erzielen. Sollten die Konflikte weiterhin auf einem ähnlich hohen Niveau, wie bislang, ausgetragen werden, sei zumindest zu befürchten, dass Lukas in seiner sozial-emotionalen Entwicklung beeinträchtigt und gefährdet werden könnte. Bei allen Bedenken bezüglich einer Prognose für eine gelingende gemeinsame Elternverantwortung könne eine eindeutige Kindeswohlgefährdung durch die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht gesehen werden. Im Termin vor dem AG hat die Vertreterin des Jugendamtes geäußert, die Kindeseltern befänden sich weiter in starken Konflikten. Die Hochstrittigkeit sei für Lukas sicher auch belastend, was sich daran zeige, dass er sich bislang bemühe, sich nicht zu positionieren. Gespräche zwischen den Eltern (bei der Erziehungsberatung) sollten sich nicht um Ferientermine drehen, sondern um ihre Haltung als Eltern zu ihrem Kind. Der gesunde Menschenverstand würde wohl sagen, wie solle es gehen, dass diese Eltern eine gemeinsame elterliche Sorge ausüben bei ihrer Hochstrittigkeit; aber eine akute oder drohende Kindeswohlgefährdung könne bei einer gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge nicht erkannt werden.
Der Verfahrensbeistand hat in seiner Stellungnahme vor dem AG erklärt, Lukas scheine in der Tat belastet zu sein. Er - der Verfahrensbeistand - erlebe beide Eltern weiterhin als sehr engagiert und bemüht. Der Kindesvater präsentiere ein "glatt gemachtes Bild" und erkläre, dass eigentlich alles gut liefe. Demgegenüber mache die Mutter deutlich, dass es an vielem fehle. Absprachen würden nicht eingehalten und auch an Vertrauen fehle es. - Dem Sorgerechtsantrag sollte seines Erachtens entsprochen werden - Die Gesamtentwicklung stelle sich so dar, dass Klein- und Feinheiten auf Paarebene strittig seien. Die Belastungen bei Lukas seien nicht so schwerwiegend, dass eine Kindeswohlgefährdung anzunehmen sei oder dass eine solche drohe. Der Grad des Nicht-miteinander-Könnens der Eltern habe sich in der Tat nur marginal verringert im Vergleich zu früher. Für Lukas sei es nicht so schwerwiegend, als dass eine gemeinsame elterliche Sorge nicht möglich wäre. Ein Grund für die Konflikte könne vielleicht auch sein, dass hier ein "Über-Unter-Verhältnis" bestehe; nämlich auf der einen Seite der Vater als nicht Sorgeberechtigter, der etwas begehre, und auf der anderen Seite die Kindesmutter. Er habe den Eindruck, dass dann, wenn Waffengleichheit herrsche, es auch eine bessere Qualität der Auseinandersetzung der Kindeseltern geben könne.
Das AG hat die elterliche Sorge für Lukas - den Empfehlungen des Verfahrensbeistands und des Jugendamts folgend - gem. § 1626a Abs. 2 BGB den Kindeseltern zu...