Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei Klage auf Unterlassung der Zusendung von E-Mails
Leitsatz (amtlich)
Bei der Bestimmung der Höhe des Streitwerts für eine Klage auf Unterlassung der Zusendung von E-Mails sind nicht nur die Belästigung im Einzelfall durch das notwendige Durchlesen, Sortieren und ggf. Löschen der E-Mails sowie die sonstigen besonderen Umstände des Falles, sondern auch die Breitenwirkung und das häufige Erscheinen solcher Zusendungen, die in ihrer Gesamtheit das Ausmaß der Belästigung erst bestimmen, zu berücksichtigen.
Normenkette
ZPO § 3
Verfahrensgang
LG Kiel (Beschluss vom 21.10.2008; Aktenzeichen 2 O 233/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Kiel vom 21.10.2008 geändert.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.
Ihm wird Rechtsanwalt ... beigeordnet, aber mit der Maßgabe, dass die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf die Gesamtvergütung begrenzt ist, die an einen im Bezirk des OLG Schleswig niedergelassenen Rechtsanwalt sowie an einen Verkehrsanwalt zu zahlen wäre (§ 121 Abs. 4 ZPO).
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage auf Unterlassung der Zusendung von E-Mails durch die Beklagte, Auskunft darüber, ob die Beklagte persönliche Daten über den Antragsteller gespeichert bzw. an Dritte weitergegeben hat, sowie Freistellung von den Gebühren des Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens.
Die Antragsgegnerin übersandte dem Antragsteller am 27.3.2008 eine E-Mail, mit der dieser unter dem "subject: Kennst du mich noch?" auf einen angeblichen Gewinn eines kostenlosen Zugangs zu dem unter www... betriebenen Single-Kontaktmarkt aufmerksam gemacht wurde. Der Antragsteller hatte wegen erwarteter Posteingänge im Zusammenhang mit einem Bewerbungsverfahren sein E-Postfach so eingestellt, dass er über jeden Eingang eine SMS-Nachricht auf sein Handy erhielt. Nachdem die Antragsgegnerin auf ein vorgerichtliches Anwaltsschreiben nicht reagierte, leitete der Antragsteller ein einstweiliges Verfügungsverfahren ein, in dem der Antragsgegnerin mit Urteil vom 5.6.2008 untersagt wurde, dem Antragsteller unaufgefordert Werbe-E-Post an seine E-Post-Adresse zu senden.
Die für das nunmehr beabsichtigte Hauptsacheverfahren begehrte Prozesskostenhilfe hat das LG versagt mit der Begründung, die beabsichtigte Klage sei zum einen bezogen auf das Unterlassungsbegehren mutwillig. Zum anderen erreiche der Wert des Streitgegenstandes auch unter Hinzurechnung der weiteren Anträge die Grenze für die Zuständigkeit des LG nicht, so dass die beabsichtigte Klage unzulässig sei. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der das LG nicht abgeholfen hat.
II. Die sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss ist gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Prozesskostenhilfe wird gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (2.), der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist (3.), die Prozesskosten zu tragen und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint (1.) (§ 114 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1. Die auf Unterlassung und Auskunft sowie Freistellung gerichtete beabsichtigte Klage ist nicht mutwillig.
Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Klageziel auf einfacherem Wege erreicht werden kann (Zöller/Philippi, 27. Aufl., § 114 Rz. 31). Davon geht das LG aus, indem es den Antragsteller auf die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung des bereits erlangten Urteils im einstweiligen Verfügungsverfahren nach § 890 ZPO verweist und das Rechtsschutzbedürfnis für das Hauptsacheverfahren verneint.
Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Hauptsacheklage nach einstweiligem Verfügungsverfahren fehlt nur dann, wenn der Verfügungsbeklagte auf alle Rechte gegen die einstweilige Verfügung verzichtet (Zöller/Vollkommer, 27. Aufl., § 926 Rz. 4). Nur dann hat die einstweilige Verfügung dieselbe endgültige Wirkung wie ein Urteil in dem Hauptsacheverfahren, das dann entbehrlich wird. Von einem derartigen Verzicht kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden. Zwar hat der Antragsgegner gegen das Urteil in dem einstweiligen Verfügungsverfahren - soweit bekannt - keine Berufung eingelegt. Auf die Rechte aus § 926 ZPO (Anordnung der Klagerhebung) und aus § 927 ZPO (Aufhebung wegen veränderter Umstände) hat der Antragsgegner jedoch nicht verzichtet. Im Gegenteil hat der Antragsgegner trotz Aufforderung eine Abschlusserklärung dahingehend, dass er das Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren als endgültige...