Leitsatz (amtlich)

1. Als ordnungsgemäße Verwaltung einer Wohnungseigentumsanlage kann grundsätzlich auch die Beseitigung anfänglicher Schallschutzmängel begehrt werden. „Stand der Technik” im Schallschutz war 1978 die Einhaltung der Anforderungen nicht mehr der DIN 4109 (1962) an den einfachen Schallschutz, sondern der Anforderungen der DIN 4109 (1962) an den „erhöhten Schallschutz”.

2. Welche Maßnahme mit welchem Aufwand und mit der Folge der Erreichung welchen Dämmniveaus konkret begehrt werden kann, hängt davon ab, wie sich in vergleichbarer Situation ein wirtschaftlich denkender, vernünftiger Alleineigentümer nach Kosten-Nutzen-Analyse verhalten würde. Sind von den Mängeln grundsätzlich alle Wohnungseigentümer gleichermaßen betroffen, so gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Wohnungseigentümer, die Sanierungskosten für die Gesamtanlage auch dann in die Kosten-Nutzen-Analyse einzustellen, wenn bisher nur für einen Miteigentumsanteil Mängelbeseitigung begehrt wird.

3. Nimmt die Gesamtheit der Wohnungseigentümer einen anfänglich mängelbehafteten Zustand über einen längeren Zeitraum hin, ist die Situation der Wohnungseigentumsanlage hierdurch vorgeprägt. Bei weiterer Verschlechterung des Schallschutzes durch bauliche Maßnahmen im Bereich des Sondereigentums (hier: Ersatz von Teppichboden durch Fliesenbelag) können daher in aller Regel nur noch Dämmmassnahmen verlangt werden, die ein dem Zustand vor Entfernung des Teppichboden entsprechendes Schallschutzniveau gewährleisten.

 

Normenkette

WEG § 21 Abs. 4, § 5

 

Verfahrensgang

LG Itzehoe (Beschluss vom 11.07.2002; Aktenzeichen 2 W 144/02)

AG Pinneberg (Aktenzeichen 68 II 64/00 WEG)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das LG zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage H. in Quickborn. Die Beteiligte zu 3) ist die Verwalterin der neben den Beteiligten zu 1) und 2) aus den Beteiligten zu 4) bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beteiligte zu 5) hat das Bauvorhaben Ende der 70-er Jahre an die Wohnungseigentümer übergeben, die Beteiligte zu 6) war Verwalterin der Gemeinschaft bis 1993. Beide sind dem Verfahren auf Seiten der Beteiligten zu 3) und 4) beigetreten.

Die vom Landrat des Kreises Pinneberg am 2.3.1978 der Beteiligten zu 5) erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnblocks mit 30 Eigentumswohnungen (Bl. 74 ff. d.A.) erlegte unter Ziff. 57 hinsichtlich der an die Schalldämmung des Treppenhauses, der Wohnungstrennwände und der Wohnungstrenndecken zu stellenden Anforderungen die Einhaltung der DIN 4109 – Schallschutz im Hochbau – auf. Die in der seinerzeit noch gültigen Ausgabe der DIN 4109 vom September 1962 für Wohnungstrenndecken aufgeführten Trittschallschutzmaße entsprechen in heute üblicher Ausdrucksweise bewerteten Norm-Trittschallpegeln von = 60 dB (unmittelbar nach Fertigstellung des Baues) bzw. = 63 dB (≫ 2 Jahre nach Fertigstellung des Baues). Demgegenüber sah bereits der im Februar 1979 veröffentlichte Entwurf einer Neufassung der DIN 4109 einen – umgerechneten – Norm-Trittschallpegel von ≪ 53 dB vor, welcher den Anforderungen an den sog. „erhöhten Schallschutz” der alten DIN 4109 für ≫ 2 Jahre nach Baufertigstellung entsprach. Bereits auf einer Eigentümerversammlung vom 19.8.1981 wurden Schallbeeinträchtigungen diskutiert und zu TOP 8 beschlossen, „dass die betroffenen Wohnungseigentümer etwaige Schallmängel auf eigene Kosten gegen die Baufirma geltend machen sollten” (Bl. 32 d.A.). Ausweislich des Diskussionsprotokolls wurden die Schallbeeinträchtigungen von den Eigentümern unterschiedlich wahrgenommen und das Prozessrisiko und die Kosten der Erstellung eines Gutachtens auf Gemeinschaftskosten gescheut. Nachdem die oberhalb der Wohnung der Beteiligten zu 1) und 2) wohnende Miteigentümerin R. Ende 1997/Anfang 1998 den in ihrer Wohnung ursprünglich vorhandenen Teppichbodenbelag durch Fliesen ersetzt hatte, fühlten sich die Beteiligten zu 1) und 2) durch Schallübertragungen gestört. In einem zunächst gegen die Miteigentümerin R angestrengten Verfahren auf Entfernung des Fliesenbelages, hilfsweise auf handwerksgerechte Herstellung des schwimmenden Estrichs, – 68 II 59/98 WEG AG Pinneberg – stellte der Sachverständige T. nach Entfernung zunächst festgestellter Mörtelbrücken fest, dass für immer noch vorhandene Beeinträchtigungen allein der Estrich verantwortlich sei. Der gemessene Norm-Trittschallpegel hatte sich unter dem Wohnzimmer der Wohnung R. von vor Entfernung der Mörtelbrücken gemessenen 60 dB auf 57 dB verbessert, unter dem Schlafzimmer von 55 dB auf 54 dB (schalltechnische Gutachten v. 23.6.1999 u. 22.12.1999, Bl. 33 ff. d.A., Bl. 72 ff. d.A. in 68 II 59/98 WEG AG Pinneberg). Gleichwohl lehnte die Eigentümerversammlung vom 18.6.2001 zu TOP 6 den Antra...

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