Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe: Anwaltsbeiordnung in selbständigen Kindschaftssachen nach FamFG
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Beteiligter, dem aus wirtschaftlichen Gründen Verfahrenskostenhilfe zu gewähren ist, hat nicht schon deshalb einen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts, § 78 Abs. 2 FamFG, weil es sich um eine (selbständige) Kindschaftssache handelt.
2. Für die Beiordnung nach § 78 Abs. 2 FamFG reicht es aus, dass die Sach- oder die Rechtslage Schwierigkeiten aufweist. Maßgeblich ist die Sicht des Verfahrenskostenhilfe begehrenden Beteiligten im konkreten Fall. Dabei sind auch subjektive Kriterien zu berücksichtigen.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2, § 151
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten A und B sind Eltern des Kindes C, geboren am ... 2000. Sie sind und waren nicht miteinander verheiratet. Das AG - Familiengericht - Flensburg übertrug dem Antragsgegner durch Beschluss vom 26.4.2005 (95 F 76/05) die alleinige elterliche Sorge für C.
Am 26.3.2010 besuchte C im Rahmen eines Umgangswochenendes seine in E lebende Mutter, bei der auch deren erwachsene Tochter zu Besuch weilte. Dieser erzählte C u.a., der Vater habe ihn am Geschlechtsteil angefasst.
Die Antragstellerin hat über die Rechtsantragsstelle des AG E am 29.3.2010 beantragt, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 31.3.2010 hat die Antragstellerin um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten gebeten.
Das AG hat der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten indes abgelehnt.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Das AG hat die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu Recht abgelehnt.
1. Nach § 78 Abs. 2 FamFG wird einem Beteiligten in Verfahren, in denen eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben ist, auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt nur dann beigeordnet, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint. Da in Familiensachen des § 111 Nr. 2 FamFG (Kindschaftssachen) eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben ist, §§ 151 ff., 10 Abs. 1 FamFG, kommt es darauf an, ob die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage eine Beiordnung erforderlich erscheinen lässt.
a. Nach der amtlichen Begründung (BT-Drucks. 16/6308, 213/214) soll die Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung sich allein nach objektiven Kriterien richten. Ausschlaggebend für die Beiordnung eines Rechtsanwalts soll ausschließlich die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage sein. Die Schwere des Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten soll dagegen die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Basis der Verfahrenskostenhilfe regelmäßig nicht erfüllen.
b. Die Frage, ob eine Angelegenheit tatsächlich oder rechtlich schwierig ist, ist naturgemäß abhängig von der Situation des Betrachters. Sie kann nur im konkreten Fall aus der Sicht des betroffenen Beteiligten beantwortet werden. Nach Auffassung des Senates (Beschl. v. 10.12.2009 - 10 WF 199/09) müssen indes auch subjektive Kriterien berücksichtigt werden, weil nur so dem aus dem Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip folgenden Gebot der Gleichstellung von Bemittelten und Unbemittelten (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 6.5.2009 -1 BvR 439/08 - m.w.N., Quelle: Juris) zur Verwirklichung eines effektiven Rechtsschutzes Genüge getan wird. Deshalb ist - unter Beachtung der Grundsätze der Berücksichtigung des Einzelfalles (BGH FamRZ 2009, 1857) - nach wie vor und damit auch im Rahmen des § 78 Abs. 2 FamFG von Bedeutung, inwieweit ein Beteiligter subjektiv in der Lage ist, seine Rechte und Interessen im Verfahren angemessen selbst zu vertreten, insbesondere, ob er in der Lage ist, sich mündlich und schriftlich auszudrücken (OLG Hamburg, Beschl. v. 23.3.2010 - 10 WF 91/09 - Quelle: Juris; OLG Celle, Beschl. v. 11.11.2009 - 17 WF 131/09 - m.w.N., Quelle: Juris; ebenso OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.11.2009 - 2 WF 211/09 - Quelle: Juris; Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, 1. Aufl. 2009, § 78 Rz. 4; Bumiller/Harders, Freiwillige Gerichtsbarkeit FamFG, 9. Aufl. 2009, § 78 Rz. 2 ff.).
c. In Sorgeverfahren gilt zwar der Grundsatz der Amtsermittlung (§ 26 FamFG). Das Familiengericht hat von Amts wegen die zur Ausfüllung des Begriffs des Kindeswohls bedeutsamen Tatsachen zu ermitteln. Stets bedarf es aber der Darlegung aller für diese Frage entscheidenden Kriterien durch die Beteiligten. Dazu sind die Tatsachen dazulegen, aus denen sich ergibt, dass die erstrebte Regelung des Sorgerechts dem Wohle des Kindes dient. Insgesamt mag wegen der besonderen Bedeutung der Kindschaftssachen eine Anwaltsbeiordnung häufig erforderlich sein (vgl. auch OLG Frankfurt, NJW 2007, 230). Sorgerechtssachen können, müssen aber nicht tatsächlich und rechtlich schwierig sein, insbesondere nicht auto...