Leitsatz
Die Beteiligten waren die nicht miteinander verheirateten Eltern eines im Jahre 2000 geborenen Kindes. Das AG hatte dem Kindesvater durch Beschluss vom 26.5.2005 die alleinige elterliche Sorge für den Sohn übertragen.
Im März 2010 besuchte der Sohn im Rahmen eines Umgangswochenendes seine Mutter, bei der auch deren erwachsene Tochter zu Besuch weilte. Dieser erzählte der Sohn, der Vater habe ihn unsittlich berührt.
Die Antragstellerin hat daraufhin über die Rechtsantragsstelle beantragt, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Sohn zu übertragen. Mit nachfolgendem anwaltlichem Schriftsatz hat sie um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten gebeten.
Verfahrenskostenhilfe wurde der Antragstellerin bewilligt, die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten jedoch abgelehnt.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit der Beschwerde.
Ihr Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG hatte das AG die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu Recht abgelehnt.
Nach der amtlichen Begründung des § 78 Abs. 2 FamFG solle sich die Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung allein nach objektiven Kriterien richten. Ausschlaggebend für die Beiordnung eines Anwalts solle ausschließlich die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage sein. Die Schwere des Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten solle dagegen die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf der Basis der Verfahrenskostenhilfe regelmäßig nicht erfüllen.
Die Frage, ob eine Angelegenheit tatsächlich oder rechtlich schwierig sei, sei naturgemäß abhängig von der Situation des Betrachters. Sie könne nur im konkreten Fall aus der Sicht des betroffenen Beteiligten beantwortet werden. Nach Auffassung des OLG müssten indes auch subjektive Kriterien berücksichtigt werden, weil nur so dem aus dem Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip folgenden Gebot der Gleichstellung von Bemittelten und Unbemittelten zur Verwirklichung eines effektiven Rechtsschutzes Genüge getan werde.
In Sorgeverfahren gelte zwar der Grundsatz der Amtsermittlung (§ 26 FamFG). Das Familiengericht habe von Amtswegen die zur Ausfüllung des Begriffs des Kindeswohls bedeutsamen Tatsachen zu ermitteln. Stets bedürfe es aber der Darlegung aller für diese Frage entscheidenden Kriterien durch die Beteiligten.
Dazu seien die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergebe, dass die erstrebte Regelung des Sorgerechts dem Wohl des Kindes diene. Insgesamt möge wegen der besonderen Bedeutung der Kindschaftssachen eine Anwaltsbeiordnung häufig erforderlich sein.
Im vorliegenden Fall seinen die Voraussetzungen hierfür jedoch nicht erfüllt.
Die gerichtserfahrene Antragstellerin begehre im Wege der einstweiligen Anordnung die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihren Sohn. Sie habe den Antrag nebst Begründung zu Protokoll der Rechtsantragsstelle des AG und damit ohne anwaltliche Hilfe gestellt. Der Umstand, dass die Antragstellerin die Übertragung der elterlichen Sorge zunächst im Wege einstweiliger Anordnung auf sich erstrebe, führe nicht zu der Annahme einer schwierigen Sach- und/oder Rechtslage. Ihr Vorwurf wiege zwar schwer, vermöge aber derzeit nicht die Einschätzung zu begründen, es handele sich um ein Verfahren mit einer schwierigen Sach- oder Rechtslage, die eine anwaltliche Vertretung geboten erscheinen lasse.
Tatsächlich sei der Sachverhalt einfach gelagert, die Rechtslage trotz der Schwere des Vorwurfs nicht schwierig.
Unerheblich sei, dass der Antragsgegner anwaltlich vertreten sei. Der zivilprozessuale "Grundsatz der Waffengleichheit" finde im Bereich der Familiensachen ausdrücklich keine Anwendung.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 07.05.2010, 10 WF 78/10