Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 66 FGG ist der Betroffene in Verfahren, die die Betreuung betreffen, ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Demnach kann er auch ohne Einschränkung eine Verfahrensvollmacht erteilen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob er noch über einen "natürlichen Willen" verfügt (Abweichung vom Saarländischen OLG FGPrax 1999, 106).
2. Die Betreuerauswahl ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Ermessensfehler hin überprüfbar.
Normenkette
FGG § 66; BGB § 1897
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Beschluss vom 11.08.2006; Aktenzeichen 4 T 3/06) |
AG Pinneberg (Aktenzeichen 42 XVII W 5914) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Erstbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen wird.
Gründe
Die Betroffene lebt mit ihrem 58-jährigen Sohn M. zusammen in einer Wohnung. Sie bezieht Renten von insgesamt 1.747,73 EUR monatlich und hat ein Sparguthaben von 37.296,24 EUR (Stand 31.1.2006). Der Sohn hat kein eigenes Einkommen und lebt vollständig auf Kosten seiner Mutter. Bei ihm ist ein langjähriger chronischer Alkoholmissbrauch bekannt. Ende Dezember 2004 befand er sich infolgedessen in einem reduzierten Allgemein- und Ernährungszustand und war nicht imstande, die Betroffene ausreichend zu versorgen. Diese war bettlägerig und litt u.a. an einem Flüssigkeitsmangel, einer Kortison-Dermatitis, Bindehautentzündung der Augen und Bluthochdruck. Ferner war ihr Hörgerät defekt. Am 27.12.2004 bestellte das AG die Beteiligte zur vorläufigen Berufsbetreuerin mit dem Aufgabenkreis: Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden u.a. und Regelung der Post. Die vorläufige Betreuung sollte in 6 Monaten enden. Während eines von der Beteiligten sofort veranlassten Aufenthalts der Betroffenen in einem Pflegeheim vom 27.12.2004 bis 20.1.2005 verbesserte sich ihr Zustand wesentlich. Am 6.1.2005 änderte das AG seinen Beschluss vom 27.12.2004 "mit der Maßgabe", dass eine neue Betreuerin eingesetzt wurde. Der Beschluss enthält die Ankündigung: Das Gericht wird spätestens bis zum "1.1.10." über eine Verlängerung oder Aufhebung der Betreuung beschließen. Auf die Beschwerde der seinerzeit bestellten Verfahrenspflegerin änderte das LG am 18.2.2005 den Beschluss vom 6.1.2005 und setzte wiederum die Beteiligte zur Betreuerin ein. Am 28.2.2005 meldeten sich die Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen (Rechtsanwalt G.) und überreichten eine von ihr am 24.2.2005 unterzeichnete "Prozessvollmacht".
Am 14.6.2005 hat Rechtsanwalt G. beantragt, den Beschluss vom 27.12.2004 in der Fassung des Beschlusses vom 18.2.2005 aufzuheben, hilfsweise dahin zu ändern, dass der Sohn M zum Betreuer bestellt werde. Er hat eine von ihm als Notar am 31.3.2005 beurkundete Altersvorsorgevollmacht der Betroffenen auf ihren Sohn vorgelegt und in erster Linie geltend gemacht, angesichts dieser Vollmacht sei eine Betreuung nicht mehr erforderlich. Falls eine Betreuung für erforderlich gehalten werde, sei entsprechend dem Vorschlag der Betroffenen ihr Sohn zum Betreuer zu bestellen. Dieser sei dafür geeignet. Insbesondere habe er seit Dezember 2004 keinen Alkohol mehr zu sich genommen. Das AG hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der Betroffenen durch Beschluss vom 2.12.2005 die Anträge zurückgewiesen. Es hat die Betroffene für betreuungsbedürftig i.S.d. § 1896 BGB und ihren Sohn für ungeeignet zum Betreuer gehalten. Hiergegen hat Rechtsanwalt G. Beschwerde eingelegt. Das LG hat der Betroffenen den eingangs genannten Verfahrenspfleger beigeordnet sowie ebenfalls ein Sachverständigengutachten eingeholt und die Betroffene angehört. Es hat die Beschwerde durch Beschluss vom 11.8.2006 als unzulässig "zurückgewiesen", weil die Betroffene nicht über einen natürlichen Willen verfüge und deshalb die Verfahrensvollmacht unwirksam sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die durch Rechtsanwalt G. eingelegte weitere Beschwerde der Betroffenen.
Die weitere Beschwerde ist nach §§ 27, 29, 20, 21 FGG zulässig. Insbesondere hält der Senat die Verfahrensvollmacht der Betroffenen an Rechtsanwalt G. für wirksam. Nach § 66 FGG ist der Betroffene in Verfahren, die die Betreuung betreffen, ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Demnach kann er auch ohne Einschränkung eine Verfahrensvollmacht erteilen. Es kommt dabei nicht darauf, ob er noch über einen "natürlichen Willen" verfügt, d.h., fähig ist, Sinn und Folge seiner Erklärungen zu erkennen oder sich eine wenigstens ungefähre Vorstellung von seiner Lage zu machen. Der abweichenden Auffassung des Saarländischen OLG (FGPrax 1999, 108, 109; zustimmend Bauer in HK-BUR, FGG, § 66 Rz. 7a; im Ergebnis gleich Bassenge/Herbst/Roth, FGG, 10. Aufl., § 66 Rz. 3) vermag der Senat nicht zu folgen (ebenso Keidel/Kayser, FGG, 15. Aufl., § 66 Rz. 2; Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, FGG, 4. Aufl., § 66 Rz. 9; Schmidt FGPrax 1999, 178 in einer Anmerkung zum Beschluss des Saarländischen OLG). § 66 FGG lässt eine solche Einschrän...