Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung bei Anfechtung nach § 2079 Satz 1 BGB
Normenkette
BGB § 2079 Sätze 1-2
Verfahrensgang
AG Neumünster (Beschluss vom 07.09.2015) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des AG Neumünster vom 07.09.2015 geändert:
Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 3) vom 01./02.07.2015 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Erbscheinsverfahrens in beiden Instanzen trägt der Beteiligte zu 3). Kostenerstattung findet nicht statt.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 700.000 EUR
Gründe
I. Der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger und in einziger Ehe - für die gesetzlicher Güterstand galt - mit der Beteiligten zu 1) verheiratet. Aus ihrer Ehe sind der am ... 05.2003 geborene Beteiligte zu 2) und der am...08.2012 geborene Beteiligte zu 3) als ihre einzigen Kinder hervorgegangen.
Der Erblasser - beruflich als Bauunternehmer tätig - errichtete am 07.03.2011 zur Ur. Nr.: 32/2011 des Notars... ein Testament (Bl. 18 ff d.A.), in dem es u.a. heißt:
"...§ 2
Ich setze meinen Sohn A, geb. am ... 05.. 2003,... zu meinem alleinigen Erben ein. Auf die steuerlichen Folgen (Erbschaftssteuer, Freibeträge) hat der Notar hingewiesen und belehrt. Die Ehefrau soll nicht erben.
§ 3
Sollte mein Sohn zum Zeitpunkt meines Todes das 21. Lebensjahr noch nicht beendet haben, ordne ich für die Verwaltung Testamentsvollstreckung an. Zur Testamentsvollstreckerin benenne ich Frau X."
Der Erblasser verstarb am 18.06.2014. Frau X nahm das Amt als Testamentsvollstreckerin an. Sie beantragte mit notarieller Erklärung vom 02./31.07.2014 die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses, das das AG am 09.09.2014 mit dem darin enthaltenen Vermerk erteilte, die Testamentsvollstreckung sei "befristet bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Erben A" (Bl. 33 d.A.).
Der Ergänzungspfleger des gut ein Jahr nach Testamentserrichtung geborenen Beteiligten zu 3) erklärte für diesen mit Schriftsatz vom 03.03.2015 die Anfechtung des Testaments (Bl. 41f d.A.) unter Verweis auf §§ 2079f BGB. Mit Schriftsatz vom 01.07.2015 und ergänzender Erklärung zu Protokoll des Rechtspflegers vom 02.07.2015 (Bl. 51f d.A.) beantragte er zudem die Erteilung eines Erbscheins, der den Beteiligten zu 2) als Erben zu 3/4 und den Beteiligten zu 3) als Erben zu 1/4 ausweisen sollte, wobei die Anordnung von Testamentsvollstreckung nur für den Erbteil des Beteiligten zu 2) bis zu dessen 21. Lebensjahr, hilfsweise entsprechend auch für den Erbteil des Beteiligen zu 3) aufgenommen werden sollte (Bl. 48 ff d.A.). In dem Antrag wird unter Hinweis auf Kommentarstellen ausgeführt, dass die erklärte Anfechtung des Testaments gemäß § 2079 BGB nur insoweit zur Nichtigkeit desselben führe, als das gesetzliche Erbrecht des Beteiligten zu 3) beeinträchtigt sei.
Die Beteiligte zu 1) hat diesem Erbscheinsantrag widersprochen und ausgeführt, der das Testament beurkundende Notar habe bei einem Gespräch nach dem Erbfall, an dem u.a. X und sie beteiligt gewesen seien, sinngemäß bestätigt, dass der Erblasser in seinem Testament ihre Enterbung (nur) aus steuerlichen Gründen verfügt habe. Hintergrund dafür sei gewesen, dass für die ihr als enterbte Ehefrau zustehenden erhöhten Zugewinnansprüche und die Pflichtteilsansprüche keine Erbschaftssteuer anfalle. Ihr sei an solcher Steuerersparnis aber nicht gelegen, sondern nur an der wirtschaftlichen Sicherung der Zukunft ihrer Kinder. Sie beantrage daher, sie selbst als Erbin zu 1/2 und ihre beiden Kinder als Erben zu je 1/4 zu berufen. Die Testamentsvollstreckung sei entbehrlich, wobei sie allerdings mit X in vertrauensvoller Weise zusammenarbeite.
Der Ergänzungspfleger des Beteiligten zu 3) hat das Vorbringen der Beteiligten zu 1), der Erblasser habe aus steuerlichen Gründen ihre Enterbung verfügt, mit Nichtwissen in Abrede gestellt. Es gebe keine Grundlage für die Annahme, dass der Erblasser die Enterbung seiner Ehefrau nicht habe aufrechterhalten wollen.
Mit Beschluss vom 07.09.2015 (Bl. 59 ff d.A.) hat das AG - Nachlassgericht - Neumünster ausgesprochen, dass die aufgrund des Antrags des Beteiligten zu 3) vom 02.07.2015 zur Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet würden. In dem Beschluss ist ausgeführt, die vom Beteiligten zu 3) erklärte Anfechtung sei nach § 2079 BGB wirksam. Sie sei auch nicht nach § 2079 Satz 2 BGB ausgeschlossen, denn es sei davon auszugehen, dass der Erblasser den Beteiligten zu 3), wenn er bei Errichtung des Testaments bereits geboren gewesen wäre, neben seinem erstgeborenen Sohn als Erben eingesetzt hätte. Die nach § 2079 BGB wirksam erklärte Anfechtung des Testaments führe - entsprechend der Kommentierung bei MüKo/Leipold, BGB, 6. Aufl., § 2079 Rn. 24 - nur insoweit zur Nichtigkeit des Testaments, als dadurch der übergangene Pflichtteilsberechtigte mit seinem gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen worden sei. Im Übrigen bleibe es bei den Verfügungen in dem Testament. Denn die Anfechtun...