Entscheidungsstichwort (Thema)
Im Falle des wirtschaftlichen Totalschadens eines branchenfremden Unternehmens bleibt es bei dem Grundsatz, dass Restwertangebote lediglich auf dem regionalen Markt einzuholen sind.
Leitsatz (amtlich)
1. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, Restwertangebote auch räumlich entfernter Interessenten (d.h. über das eigene Bundesland hinaus) einzuholen.
2. Handelt es sich bei dem Geschädigten um einen gewerblichen "Branchenkenner" (z.B. ein Autohaus), muss er wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots ausnahmsweise im Rahmen des eigenen Gewerbes alle typischerweise vorhandenen Verwertungsmöglichkeiten nutzen, d.h. es ist ihm auch zuzumuten, räumlich weiter entfernte Interessenten zu berücksichtigen.
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2 S. 1; StVG §§ 7, 17 Abs. 1-2; VVG § 115 Abs. 1 Nr. 1
Gründe
Gemäß § 513 ZPO kann die Berufung nur auf eine Rechtsverletzung oder darauf gestützt werden, dass die gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigenden Feststellungen ein anderes als das landgerichtliche Ergebnis rechtfertigen. Beides liegt nicht vor. Denn das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung der auf Zahlung von Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall gerichteten Klage zu Recht ganz überwiegend stattgegeben.
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 6.831,66 EUR nebst Zinsen folgt aus folgt aus §§ 7, 17 Abs. 1 u. 2 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.
Die Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin ist dem Grunde nach zweitinstanzlich unstreitig. Die Beklagte hat ihr Bestreiten der Aktivlegitimierung der Klägerin in der Berufungsbegründung ausdrücklich fallengelassen.
Der Anspruch ist, wie vom Landgericht erkannt, auch der Höhe nach gerechtfertigt. Die Klägerin rechnet in zulässiger Weise gemäß Gutachten auf Totalschadensbasis ab. Sie kann nicht darauf verwiesen werden, wie die Beklagte mit der Berufung vorbringt, lediglich ihren Schaden aus dem Leasingvertrag zu beanspruchen. Denn in der Sache geht es nicht um einen Schaden aufgrund Leasingvertrags, sondern um einen Fahrzeugschaden zu deren Geltendmachung die Klägerin befugt ist. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Anspruchsberechtigung wird insoweit Bezug genommen.
Das Landgericht hat auch zu Recht den Fahrzeugschaden - soweit im Berufungsverfahren von Bedeutung - auf der Grundlage des Schadengutachtens H.-D. vom 3. Februar 2017 ermittelt.
Der Geschädigte, der den Schaden gemäß der ihm zustehenden Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, kann grundsätzlich Ersatz des Wiederbeschaffungswerts abzüglich des Restwerts verlangen. Er muss hierbei gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten, also im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage den wirtschaftlichsten Weg wählen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot umfasst die Höhe des Restwerts, denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs muss der Geschädigte wirtschaftlich vernünftig handeln (vgl. BGH, Urteil vom 27.9.2016 - VI ZR 673/15, NJW 2017, 953, 954, Rn. 8 bei Beck-online).
Dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht der Geschädigte in der Regel dann, wenn er seiner Schadensabrechnung denjenigen Restwert zu Grunde legt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. 6. 2010 - VI ZR 232/09, NJW 2010, 2724, 2725, Rn. 9 bei Beck-online).
Diesem Maßstab genügt im vorliegenden Fall die Schadenabrechnung der Klägerin. Die von der Beklagten erhobenen Einwände greifen nicht durch. Die Einschaltung von Restwertebörsen bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungsaufwandes ist nicht nur zulässig, sondern kann sogar geboten sein (in diesem Sinne etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.3.2018 - 1 U 55/17, NJW 2018, 2964-2966). Die Inanspruchnahme einer Restwertebörse wird wegen der Vielzahl der hieran partizipierenden Marktteilnehmer regelmäßig sogar höhere Erträge bringen als die Einholung von Restwertangeboten in klassischer Art und Weise (so Figgener, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 27.9.2016 - VI ZR 673/15 in NJW 2017, 955). Es wäre aus Sicht des Senats daher nicht geboten, den Schadensgutachtern diesen Weg der Restwertermittlung zu verschließen. Eine Obliegenheit des Geschädigten, bei der Einstellung in die Restwertbörse eine vollständige Reparaturkostenkalkulation beizufügen, besteht gleichfalls nicht. Dem steht entgegen, dass die Restwertebörsen, wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, bei der Einstellung der Angebote eine Reparaturkostenkalkulation nicht verlangen.
Auch die Beschränkung der Einholung der Restwertangebote auf Schleswig-Holstein, dem Bundesland, wo sich das Fahrzeug nach dem Unfall befand, begegnet keinen Bedenken. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen (vgl. BGH, Urteil vom 27.9.2016 - VI ZR 673/15. NJW 2017, 953, 954, Rn...