Leitsatz (amtlich)
1. Allein das vertragswidrige Verhalten des Schuldners - auch vorsätzliches - stellt noch keinen Arrestgrund dar, vielmehr müssen weitere Anhaltspunkte für eine Gefährdung hinzukommen.
2. Das Arrestverfahren dient nicht dazu, dem Gläubiger das grundsätzlich bei ihm liegende allgemeine Insolvenzrisiko des Schuldners abzunehmen. Es soll dem Gläubiger primär keinen Vorsprung vor anderen verschaffen oder seine Stellung gegenüber dem Schuldnervermögen verbessern.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; StGB § 263; ZPO § 917 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Aktenzeichen 6 O 122/14) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Anordnung eines dinglichen Arrestes zurückweisenden Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Itzehoe wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässig, sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt worden.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das LG den Antrag auf Anordnung eines dinglichen Arrests vom 12.5.2014 zurückgewiesen, weil es an einem Arrestgrund i.S.v. § 917 Abs. 1 ZPO fehlt.
Der dingliche Arrest findet gem. § 917 Abs. 1 ZPO nur statt, wenn die Besorgnis besteht, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Der Arrestgrund bezeichnet mit der o.a. "Besorgnis" die Gefahr, die dem Gläubiger für die Durchsetzung seines Anspruchs im Prozess durch die Dauer des Hauptsacheverfahrens aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten droht. Für die Prognose gibt es einen gerichtlichen Beurteilungsspielraum (MünchKomm/ZPO-Drescher, 4. Aufl., § 918 Rz. 3). Strafbares Verhalten des Schuldners oder eine vorsätzlich unerlaubte Handlung gegenüber dem Gläubiger kann zwar die Annahme der drohenden Vollstreckungsvereitelung und damit eines Arrestgrundes rechtfertigen (Wieczorek/Schütze-Thümmel, ZPO, 4. Aufl., § 917 Rz. 11), dies gilt jedoch nicht generell. Allein das vertragswidrige Verhalten des Schuldners - auch vorsätzliches - stellt noch keinen Arrestgrund dar, vielmehr müssen weitere Anhaltspunkte für eine Gefährdung hinzukommen (MünchKomm/ZPO-Drescher, a.a.O., § 917 Rz. 9; OLG Schleswig MDR 1983, 141). Maßgeblich sind letztlich die Umstände des Einzelfalls; aus ihnen kann sich ergeben, dass trotz vorsätzlicher Vertragsverletzung keine Wiederholungsgefahr besteht (Stein/Jonas - Grunsky, ZPO, 22. Aufl., § 917 Rz. 8). Insoweit kommt es auf die Eignung der Tathandlungen an, eine Gefährdung der Vollstreckung etwa durch weitere Verschleierung oder Täuschungshandlungen wahrscheinlich erscheinen zu lassen (MünchKomm/ZPO-Drescher, a.a.O., § 917 Rz. 7; Wieczorek/Schütze-Thümmel, a.a.O., § 917 Rz. 11).
Die pauschale Annahme, in Betrugsfällen läge "in der Regel" ein Arrestgrund i.S.v. § 917 Abs. 1 ZPO vor, wird vom Senat nicht geteilt. Das OLG Schleswig hat bereits mit Urteil vom 27.9.1982 (Az. 11 U 214/82; MDR 1983, 141) entschieden, dass die Frage des Vorliegens eines Arrestgrundes bei der Behauptung einer strafbaren Vermögensschädigung nicht schlechthin und auch nicht in der Regel zu bejahen sei. Die Gegenmeinung gehe nämlich - bewusst oder unbewusst - von dem Leitbild aus, dass - trotz der vereinfachten Beweisführung im Arrestverfahren durch Glaubhaftmachung - die behauptete Straftat "sicher" begangen worden sei. Daraus wird gefolgert, dass der "Täter" deshalb das naheliegende Bedürfnis haben müsse, die "Beute" beiseite zu schaffen und dass er im Hinblick auf die Höhe des erwachsenen Schadens nur über geringe, für die Zwangsvollstreckung greifbare Vermögensgegenstände verfüge. Nur wenn diese besonderen Nebenumstände gegeben sind, mag "in der Regel" ein Arrestgrund vorliegen. Wenn diese besonderen Nebenumstände jedoch fehlen, kann ein Arrestgrund nicht ohne weiteres als glaubhaft angesehen werden (OLG Schleswig, a.a.O., m.w.N.).
Hier hat die Antragstellerin zwar i.S.v. § 294 ZPO glaubhaft gemacht, dass sich der Antragsgegner im Zusammenhang mit der Anlagevermittlung der streitgegenständlichen Orderschuldverschreibung der Fu. KG über 50.000 EUR vom 11.4.2012 einer vorsätzlichen Falschberatung i.S.v. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB schuldig gemacht hat. Ob dies jedoch auch tatsächlich und objektiv der Fall war, wird erst in dem parallel laufenden Hauptsacheverfahren (LG I., Az. 6 O xxx/14) geklärt werden können. Unstreitig hat der Antragsgegner - seinerzeit firmierend unter X. Finanz- und Versicherungsmakler e. K. - die streitgegenständliche Anlage nur vermittelt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er persönlich auch in das hier behauptete "Schneeballsystem" der Fu./I. Gruppe verstrickt war, sind nicht dargelegt. Insbesondere ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner als bloßer Anlagevermittler tatsächlich Kenntnis von den dubiosen Geschäftspraktiken der Fu./I. Gruppe (u.a. Ankau...