Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristgerechte Anfechtung eines Beschlusses einer Wohnungseigentümerversammlung
Leitsatz (amtlich)
Die Vorwirkung entsprechend § 270 Abs. 3 ZPO tritt auch im Verfahren in Wohnungseigentumssachen ein. Das gilt auch bei Anforderung eines Kostenvorschusses nach Eingang eines Antrags gemäß § 23 Abs. 4 WEG, wenn die anwaltlich nicht vertretenen Parteien nicht darauf hingewiesen werden, dass die Zustellung des Antrages von der Einzahlung des Vorschusses abhängig gemacht werden soll.
Normenkette
ZPO § 270 Abs. 3; WEG § 23 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Lübeck (Aktenzeichen 2 II 31/99) |
LG Lübeck (Aktenzeichen 7 T 175/00) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung der sofortigen weiteren Beschwerde im Übrigen teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.5.1999 zu Tagesordnungspunkt 8.3 über den Umbau eines Teiles der Tiefgarage zu einem Jugendtreff und zu Tagesordnungspunkt 8 über die Verteilung der Gesamtkosten für die beschlossenen Maßnahmen werden für ungültig erklärt.
Im Übrigen werden die Anträge der Beteiligten zu 1) und ihre sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG vom 25.2.2000 zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Erstbeschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten zu 1) zu 58 % und die Beteiligten zu 2) zu 42 %.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Beteiligte zu 1) zu 95 % und die Beteiligten zu 2) zu 5 %.
Der Geschäftswert wird für das erstinstanzliche Verfahren und das Erstbeschwerdeverfahren auf 10.000 DM und für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6.100 DM festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind Eigentümer der Wohnungen in der Wohnungseigentumsanlage H. Lübeck. Die Beteiligte zu 3) ist Miteigentümerin und zugleich die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus mehreren Wohngebäuden mit insgesamt 195 Wohnungen sowie einer Tiefgarage mit 94 und einem Parkdeck mit 103 Kfz-Stellplätzen. Die Beteiligten zu 1) sind Eigentümer der Wohnung Nr. 12 in dem Gebäude Nr. 15.
Die Hansestadt Lübeck entwarf im Jahre 1997 im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms 1998 bis 2002 des Landes Schleswig-Holstein ein Projekt zur Förderung der Wohnungseigentumsanlage. In diesem Projekt heißt es unter anderem:
„Die Großwohnanlage H. ist aus heutiger Sicht für familiengerechtes Wohnen völlig ungeeignet und gilt unter städtebaulichen, sozialplanerischen und soziologischen Aspekten als folgenschwere Fehlentwicklung der 60er/70er Jahre.
Die Wohnanlage gilt heute als der soziale Brennpunkt Lübecks, der alle Merkmale gemäß den Empfehlungen gemäß des Deutschen Städtetages für die Definition von sozialen Brennpunkten aufweist (…).
Nach wiederholten Einzelinterventionen der betroffenen Ämter und der Wohnungsbauträger ist man heute der Überzeugung, dass nur ein gemeinsames interdisziplinär angelegtes Projekt eine langfristige Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen der Bewohner/innen in der Wohnanlage und eine bessere Integration in den Stadtteil versprechen lässt. Ziel ist es, den H. trotz der negativen gesellschaftlichen Tendenzen und der steigenden Arbeitslosigkeit nicht zu einem Slum werden zu lassen. Dazu soll die Isolation der Bewohner/innen überwunden und die Kultur der Selbstverantwortung auf unterschiedlicher Ebene gefördert werden (…).
Die Vermieter übernehmen dabei eine wesentliche Initiativfunktion, sowohl in der baulichen Entwicklung durch hohe Eigeninvestitionen wie in der Wohngebietsentwicklung, z.B. durch die Vernetzung der verschiedenen Akteure vor Ort und die Förderung tragfähiger Handlungsstrukturen, die von den gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeiten nicht ausgefüllt werden. Nur durch die Initiative der Vermieter, die sich heute vor allem als Dienstleister verstehen, kommt es zu dieser umfassenden Projektierung.”
Das Projekt verzahnt zahlreiche einzelne Maßnahmen, z.B. den Einbau von Pförtnerlogen, die Einrichtung eines Cafés, den Umbau von Kellerräumen zu Werk- und Bastelräumen, und den Ausbau von Gemeinschaftsräumen. Darin heißt es unter anderem:
„Durch die Verlagerung der Basketball- und Fußballplätze an geeignetere Standorte und durch das Entstehen kleiner dezentraler Spielplätze und Sitzecken soll ein rascher Erfolg zum Abbau des Vandalismus erreicht werden. Unabhängig von der Umnutzung der Erdgeschosse erscheint angesichts zahlreicher Kinder und Jugendlicher in den Gebäuden das Angebot von spezifischen Freizeitstädten im Freien für diese Gruppen besonders dringlich.”
In Umsetzung dieses Projektes begann die Beteiligte zu 3) im März 1999 mit einer Umgestaltung der Außenanlagen der Wohnungseigentümergemeinschaft H. Dort befand sich auf der Rasenfläche vor der Westseite des Gebäudes Nr. 15 ursprünglich ein Kinderspielplatz mit einem Holzhaus mit Rutsche. Als das Holzhaus baufällig geworden war, errichteten die damaligen Bewohner der Anlage darauf einen Ballspielplatz mit Holztoren und einen Holzbretterzaun. Im M...