Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines Rechtsanwalts im Vaterschaftsfeststellungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

In einem streitigen Vaterschaftsfeststelungsverfahren ist es in der Regel erforderlich, dem Beklagten im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe einen Rechtsanwalt beizuordnen.

 

Normenkette

ZPO § 121 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Lübeck (Aktenzeichen 123 F 207/01 Ki)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des AG – FamG – Lübeck vom 7.11.2001 insoweit geändert, als dem Beklagten Rechtsanwalt H aus Lübeck beigeordnet wird.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Verfahren beantragt der Kläger die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten und seine Verurteilung zur Zahlung des Regelunterhalts. Nachdem der Beklagte Mehrverkehr der Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit eingewandt hat, hat das AG diese als Zeugin vernommen und die Einholung eines Abstammungsgutachtens angeordnet. Es hat dem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt, jedoch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes unter Hinweis auf den Amtsermittlungsgrundsatz als nicht erforderlich abgelehnt.

II. Die gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.

Da eine anwaltliche Vertretung im vorliegenden Fall gem. § 78 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. §§ 621 Abs. 1 Nr. 10, 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vorgeschrieben ist, ist die Beiordnung eines Anwalts gem. § 121 Abs. 2 ZPO nur dann vorzunehmen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

Ob eine Anwaltsbeiordnung erforderlich ist, richtet sich nach objektiven oder sachlichen Kriterien wie Bedeutung, Umfang, tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Sache, und subjektiven oder persönlichen Kriterien wie etwa der Geschäftsgewandtheit der Partei. Die Bewertung richtet sich grundsätzlich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles.

Für Kindschaftssachen und insbesondere für das Vaterschaftsfeststellungsverfahren wird verbreitet die Ansicht vertreten, dass schon wegen der Bedeutung der Sache grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen und von diesem Grundsatz nur dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn der Fall z.B. besonders einfach gelagert ist oder beide Parteien das gleiche Ziel verfolgen (vgl. Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 121 Rz. 6 m.w.N.; OLG Karlsruhe NJW-FER 1999, 128; OLG Bremen v. 15.8.2000 – 4 WF 81/00, OLGReport Bremen 2000, 372; OLG Karlsruhe NJW-FER 1999, 128). Die Beiordnung eines Anwalts wird vielfach insbesondere dann als erforderlich angesehen, wenn in einem streitigen Verfahren Mehrverkehr eingewandt wird und die Kindesmutter oder andere Zeugen zu vernehmen oder ein Abstammungsgutachten einzuholen sind (vgl. OLG Karlsruhe NJW-FER 1999, 128; OLG Hamm v. 14.7.1994 – 29 W 65/94, FamRZ 1995, 747).

Dem schließt sich der Senat – in Abweichung von der früheren Rechtsprechung des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen OLG (vgl. OLG Schleswig v. 18.10.1990 – 1 W 93/89, FamRZ 1992, 197) und in teilweise Abkehr von seiner Entscheidung vom 4.9.2000 (OLG Schleswig v. 4.9.2000 – 12 WF 88/00, OLGReport Schleswig 2001, 83) – sowie unter Beibehaltung des Erfordernisses einer Bewertung des konkreten Einzelfalles an.

Auch wenn die hohe Bedeutung der Sache den Gesetzgeber nicht veranlasst hat, im Vaterschaftsfeststellungsverfahren grundsätzlich eine Vertretung durch Anwälte vorzuschreiben, so ist sie doch ein gewichtiger Umstand bei der Beurteilung der Frage, ob in objektiver Hinsicht eine anwaltliche Vertretung geboten ist. Handelt es sich wie im vorliegenden Fall um ein streitiges Verfahren, in dem Zeugen zu hören und ein Abstammungsgutachten einzuholen sind, kommt hinzu, dass eine Partei vielfach nicht ausreichend in der Lage sein wird, eigene Anregungen zur Beweiserhebung zu geben und die erhobenen Beweise richtig zu würdigen, insbesondere auch ein Sachverständigengutachten zutreffend zu bewerten, das zudem nach unterschiedlichen Methoden erstellt werden kann (vgl. die OLG Schleswig, Beschl. des 5. Senats für Familiensachen, v. 31.3.1999 – 15 WF 20/99 – unveröffentlicht – sowie v. 27.7.2000, JAmt 2001, 141; OLG Hamm v. 14.7.1994 – 29 W 65/94, FamRZ 1995, 747). Auch wenn das Gericht gem. §§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1 ZPO zur Amtsaufklärung verpflichtet ist, kann es zum einen Meinungsverschiedenheiten über die Reichweite des Amtsermittlungsgrundsatzes geben, zum anderen kann sich der Richter nicht objektiv und unparteiisch verhalten und zugleich gezielt die Interessen einer Partei vertreten (vgl. die genannten Beschl. des 5. Senats für Familiensachen des OLG Schleswig v. 31.3.1999 – 15 WF 20/99 – unveröffentlicht; OLG Brandenburg v. 19.12.1996 – 10 W 11/96, FamRZ 1997, 1285).

All das rechtfertig auch im vorliegenden Fall die Beiordnung eines Rechtsanwalts. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aus in seiner Person liegenden Gründen in der Lage ist, die aufgezeigten Schwierigkeiten auch ohne anwaltliche Hilfe zu be...

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