Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit
Leitsatz (amtlich)
Die atypische Lebensführung berufstätiger Eheleute in einer im höheren Lebensalter geschlossenen Ehe in getrennten Wohnungen mit getrennter Kassenführung und gemeinsamer Freizeit nur an den Wochenenden und im Urlaub rechtfertigt für sich allein nicht den Ausschluss des Versorgungsausgleichs gem. § 1587c Nr. 1 BGB wegen grober Unbilligkeit.
Normenkette
BGB § 1587c Nr. 1
Verfahrensgang
AG Lübeck (Urteil vom 12.05.2004; Aktenzeichen 128 F 236/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird das Urteil des AG - FamG - Lübeck vom 12.5.2004 im Ausspruch über den Versorgungsausgleich geändert und insoweit wie folgt neu gefasst:
Von dem Versicherungskonto des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in Stralsund, früher Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, werden auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin, früher Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, monatliche Rentenanwartschaften, bezogen auf den 30.11.2003 als Ende der Ehezeit, i.H.v. 82,93 EUR übertragen. Der Monatsbetrag der zu übertragenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben (§ 93a Abs. 1 S. 1 ZPO).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 995,16 EUR (82,93 EUR × 12; § 17a Nr. 1 GKG a.F.).
Gründe
I. Der 1944 geborene Antragsteller und die geborene Antragsgegnerin schlossen am 1993 die Ehe miteinander, aus der keine Kinder hervorgegangen sind. Beide Parteien haben Kinder aus vorangegangenen Ehen mit anderen Partnern.
Der Antragsteller ist als Polier erwerbstätig.
Die Antragsgegnerin war als Krankenschwester tätig, und zwar seit 1996 teilschichtig. Seit dem 1.1.2005 bezieht sie Altersrente für Frauen.
Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 17.12.2003 zugestellt worden.
Als Ehezeit i.S.d. § 1587 Abs. 2 BGB gilt die Zeit vom 1.6.1993 bis zum 30.11.2003.
Die Parteien haben in der gesetzlichen Ehezeit folgende Rentenanwartschaften erworben:
Antragsteller:
Laut Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund) vom 27.2.2004 (VA-Heft B. 19) monatlich 460,11 EUR.
Antragsgegnerin:
a) Laut Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund) vom 14.3.2005 (GA Bl. 133) monatlich 227,11 EUR.
I. Laut Auskunft der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands, Anstalt des öffentlichen Rechts, in Köln, KZVK, vom 15.6.2005 (GA Bl. 151) monatlich 73,65 EUR.
Das AG - FamG - Lübeck hat durch Urt. v. 12.5.2004 dem Antrag des Antragstellers folgend den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Zur Begründung führt es aus, der rechnerisch gegebene Versorgungsausgleich zugunsten der Antragsgegnerin sei gem. § 1587c Nr. 1 BGB grob unbillig. Der Grundgedanke des Versorgungsausgleichs träfe nach den Umständen hier nicht zu. Die Parteien hätten während der überwiegenden Zeit ihrer Ehe keine gemeinsame Wohnung bewohnt und wirtschaftlich eigenständig und unabhängig voneinander gelebt. Beide seien ihrer Berufstätigkeit wie vor der Heirat nachgegangen und hätten Einkünfte wie zuvor bezogen. Keine Partei habe ehebedingte Einbußen hinnehmen müssen. Spätestens zwei Jahre nach der Eheschließung hätten sie die gemeinsame steuerliche Veranlagung wieder aufgegeben, ein Umstand, der darauf hinweise, dass sie tatsächlich getrennt gewirtschaftet hätten. Danach sei davon auszugehen, dass zwischen den Parteien weder eine Lebens- noch eine Wirtschaftsgemeinschaft in dem Sinne bestanden habe, dass eine Beteiligung der Antragsgegnerin an dem während der Ehezeit erworbenen Vermögen gerechtfertigt erscheine. Das gelte auch, wenn unterstellt werde, dass die Parteien Wochenenden, Festtage und Urlaube gemeinsam verbracht haben und der Antragsteller auf Grund seines höheren Einkommens die dabei anfallenden Kosten zum Teil allein getragen habe.
Gegen diese Entscheidung zum Versorgungsausgleich wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde.
Sie trägt vor, auch wenn Eheleute ihre Lebensgemeinschaft als Wochenendehe verwirklichten und jeder Ehegatte seine Einkünfte für sich verbrauche, führe dies nicht zu der Annahme, eine Versorgungsgemeinschaft sei nicht entstanden, auch nicht für den Fall der Not und Invalidität. Im vorliegenden Fall seien die Parteien nach der Heirat zunächst zusammengezogen bis sie, die Antragsgegnerin, nach dem ersten "Kuba-Ausflug" des Antragstellers 1997 wieder ausgezogen sei. Auch danach hätten sie ihre Lebensform als Wochenendgemeinschaft weiter geführt. Sie habe auch im Haus des Antragstellers mitgearbeitet, den Garten in Ordnung gebracht, gemalt und es sei gemeinsam eingekauft worden. Da der Antragsteller seinerzeit beabsichtigt habe, das Haus zu verkaufen, sei es auch deshalb sinnvoll gewesen, ihre Wohnung beizubehalten. Sie hätten ihre ...