Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der unfallbedingten Kausalität bei einem als Sekundärschaden behaupteten Bandscheibenvorfallrezidiv und insoweit unstreitig bestehender Vorschädigung
Leitsatz (amtlich)
1. Für die haftungsbegründende Kausalität, die den Kausalzusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und der ersten Rechtsgutverletzung (Primärverletzung) betrifft, gilt das strenge Beweismaß des § 286 ZPO, das die volle Überzeugung des Gerichts erfordert.
2. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutsverletzung und - hieraus resultierenden - weiteren, sekundären Gesundheitsschäden betrifft die haftungsausfüllende Kausalität, für deren Feststellung die überwiegende Wahrscheinlichkeit nach § 287 ZPO genügt.
3. Steht fest, dass der Geschädigte durch den Unfall primär eine "temporäre Nervenwurzelzerrung mit einhergehenden Bewegungseinschränkungen im Lendenbereich" erlitten hat, unterliegt die Kausalität des behaupteten Sekundärschadens (= hier Bandscheibenvorfallrezidiv mit anschließender Lumbalgie) dem Freibeweis nach § 287 ZPO.
4. Haftungsrechtlich sind dem Schädiger grundsätzlich auch diejenigen Auswirkungen seiner Verletzungshandlung zuzurechnen, die kausal auf einen bereits vorhandenen Körperschaden oder eine sonstige konstitutionelle Schwäche zurückzuführen sind. Für den entsprechenden Nachweis reicht jedoch allein die zeitliche Nähe zwischen den Beschwerden des Verletzten und dem Unfallereignis nicht aus. Ein entsprechender Kausalzusammenhang ist nicht bewiesen, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass sich die Erkrankung und ihre Auswirkungen schicksalhaft entwickelt haben. Bei einem Bandscheibenvorfallrezidiv bedeutet eine (auch mehrjährige) Beschwerdefreiheit nicht, dass die verschleißbedingte Schädigung verschwunden ist.
5. Es bedarf nach Durchführung der Beweisaufnahme keines gesonderten gerichtlichen Hinweises zu den Erfolgsaussichten mehr, auch wenn das Gericht vor der Beweisaufnahme den Parteien noch einen Vergleichsvorschlag unterbreitet hat.
Normenkette
BGB § 253 Abs. 2, § 823; StVG §§ 7, 11 S. 2; VVG § 115
Tenor
I. Die Klägerin wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung gegen das angefochtene Urteil offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.
III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug auf 50.810,70 EUR festzusetzen (37.000,- + 6.092,88 + 5.000,- + 2.717,82).
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Verkehrsunfall, der auf dem Gelände einer Aral Tankstelle in T. stattfand.
Die am 02.06.1972 geborene Klägerin musste sich vor dem Unfall in den Jahren 1989 und 1997 Bandscheibenoperationen unterziehen. Die Klägerin arbeitete als angestellte Pharmazeutin bei der S-GmbH.
Am 10. Juli 2012 füllte die Klägerin auf dem Tankstellengelände Scheibenwasser ihres Fahrzeugs Volvo XC 60 nach. Dabei stand sie in Fahrtrichtung links mit vorgebeugtem Oberkörper seitlich von ihrem Kfz über dessen geöffneter Motorhaube. Hinter der Klägerin, also links in Fahrtrichtung ihres Kfz, stand das Fahrzeug der Beklagten zu 1 (Opel Astra, haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2)) zunächst in einer Parkbucht zum Zwecke der Fahrzeugreinigung.
Die Beklagte zu 1) setzte ihr Fahrzeug in Bewegung und setzte zurück. Dabei kam es zu einer Kollision zwischen ihrem Pkw und der Klägerin. Die Beklagte zu 1) nahm dabei ein dumpfes Geräusch und einen Aufschrei war. Sie stoppte ihr Fahrzeug, und fuhr mit diesem ein Stück vorwärts. Die genauen Einzelheiten der Einwirkung auf den Körper der Klägerin sind streitig.
Die Klägerin begab sich daraufhin aufgrund erheblicher Schmerzen noch am selben Tag in die A-Klinik in S.. Ausweislich der Anlage A1 (B I Bl. 39-40 d. Gerichtsakte) wurde dort nach einem dreitägigen Aufenthalt u.a. ein "Rezidiv Bandscheibenprolaps L5/S1 mit Alteration der Nervenwurzel links" festgestellt. Die Klägerin begab sich anschließend wiederholt zu medizinischen Untersuchungen und suchte dafür verschiedene Ärzte auf. Hinsichtlich der dort festgestellten Befunde wird auf die jeweiligen Anlagen verwiesen. Die Klägerin wurde auch im Anschluss weiterhin medizinisch behandelt.
Nach dem streitgegenständlichen Unfallereignis war die Klägerin ausweislich der Anlagen A2, A4, A8, A12, A16 und A20 zunächst bis einschließlich 9. Oktober 2012 arbeitsunfähig. Sie erhielt daher bis zum 20.08.2012 eine Fortzahlung der Lohnbezüge durch ihren Arbeitgeber und ab dem 21.08.2012 ein Krankengeld i.H.v. 1...