Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Gerichtsstandbestimmung bei gemeinschaftlichem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes
Leitsatz (amtlich)
Erfüllungsort im Hinblick auf Verbindlichkeiten ggü. Dritten ist für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihre haftenden Gesellschafter gemeinsam der Sitz der Gesellschaft. Da insoweit der gemeinschaftlich besondere Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsortes gegeben ist, scheidet eine Bestimmung des zuständigen Gerichts aus.
Verfahrensgang
LG Flensburg (Aktenzeichen 2O 22/03) |
Tenor
Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird auf Kosten der Klägerin bei einem Gegenstandswert von 21.528 Euro zurückgewiesen.
Gründe
Die Klägerin hat vor dem AG Hagen unter dem 21.2.2001 gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesellschafter der Beklagten zu 3) Mahnbescheide u.a. über die Rückzahlung eines der Beklagten zu 3) gewährten Darlehens von 210.530,18 DM nebst Zinsen erwirkt. Das AG hat die Verfahren entspr. den Bestimmungen in den Mahnbescheidsanträgen am 9.1.2003 an das LG Flensburg abgegeben. Mit Schriftsätzen vom 5. bzw. 7.3.2003 hat die Klägerin ihre Klage auf die Beklagte zu 3). erweitert. Das LG hat die Verfahren unter dem eingangs genannten Aktenzeichen „zusammengefasst”. Auf die Rüge der örtlichen Zuständigkeit des LG Flensburg durch die Beklagte zu 3) hat die Klägerin die Verweisung des Rechtsstreits an das LG Berlin beantragt. Die Beklagten zu 1) und 2) haben weiterhin die Zuständigkeit des LG Flensburg für begründet erachtet. Das LG Flensburg hat die Auffassung vertreten, dass es für die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 2) örtlich zuständig sei, für die Klage gegen die Beklagte zu 3) sei jedoch das LG Berlin örtlich zuständig. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes sei nicht gegeben, weil bei Gesamtschuldnern die Bestimmung des Erfüllungsortes für jeden einzelnen Gesamtschuldner selbständig erfolge. Die Klägerin hat beim OLG Schleswig beantragt, die örtliche Zuständigkeit zu bestimmen.
Das OLG Schleswig ist zur Entscheidung über den Antrag berufen, weil der BGH das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht ist und das LG Flensburg als zuerst mit der Sache befasstes Gericht in seinem Bezirk liegt (§ 36 Abs. 2 ZPO). Ungeachtet des Wortlauts des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO („… verklagt werden sollen”) ist diese Vorschrift grundsätzlich auch nach Klagerhebung – gleichbedeutend nach Eintritt der Rechtshängigkeit bei vorangegangenem Mahnverfahren – anwendbar (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 36 Rz. 16). Die Beklagten sollen auch als Streitgenossen i.S.d. §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, 59 ZPO in ihrem allgemeinen Gerichtsstand in Anspruch genommen werden.
Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand – nämlich der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 Abs. 1 ZPO – begründet ist. Für die Beklagte zu 3) als (Außen)GbR, die nach dem Urteil des BGH vom 29.1.2001 (BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = BGHReport 2001, 237 = AG 2001, 307 = NJW 2001, 1056) Rechtsfähigkeit besitzt, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet, und in diesem Rahmen auch im Zivilprozess aktiv und passiv parteifähig ist, ist der Erfüllungsort für die Rückzahlung des Darlehens nach §§ 269 Abs. 1 BGB, 29 Abs. 1 ZPO mangels anderer Anhaltspunkte Berlin, weil diese Schuldnerin unstr. bereits zur Zeit der Begründung des Rechtsverhältnisses im Jahre 1996 dort ihren Sitz hatte (Sitz des „Geschäftsbesorgers”). Entgegen der Auffassung des LG ist der Erfüllungsort für die GbR und ihre haftenden Gesellschafter gemeinsam der Sitz der Gesellschaft. Es besteht kein Grund, die GbR und ihre haftenden Gesellschafter anders zu behandeln als eine Handelsgesellschaft (OHG, KG) und ihre haftenden Gesellschafter, für die dieser Grundsatz einhellig und seit langem anerkannt ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 29 Rz. 25 unter „Gesamtschuld” und „Handelsgeschäft”). Nicht anders als bei einer Handelsgesellschaft (vgl. §§ 128 ff. HGB) sind die Gesellschafter der GbR „akzessorisch Haftende” (BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = BGHReport 2001, 237 = AG 2001, 307 = NJW 2001, 1056 [1061]). Der Ablehnung des Antrags steht nicht entgegen, dass eine Verweisung des gesamten Rechtstreits durch das LG Flensburg an das LG Berlin nicht möglich wäre. Zwar ist die Ausübung des Wahlrechts der Klägerin gem. § 35 ZPO durch die Bezeichnung des Empfangsgerichts im Mahnbescheidsantrag nach Eingang der Akten bei diesem Gericht in aller Regel unwiderruflich und bindend (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 35 Rz. 2). Das kann vorliegend jedoch schon deshalb nicht gelten, weil davon auszugehen ist, dass der Klägerin das Urteil des BGH vom 29.1.2001 zur Zeit der Stellung der Mahnanträge am 29.12.2000 gar nicht bekannt sein konnte und deshalb für sie zu jener Zeit gar keine erfolgversprechende Wahlmöglichkeit bestand.
Fundstellen
Haufe-Index 1112763 |
BB 2004, 462 |
DB 2004, 481 |
OLGR-B... |