Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Stützt das Beschwerdegericht seine Feststellung, die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes lägen vor, auf den Inhalt eines Telefonats mit dem Betreuer, ohne diesen vor der Entscheidung dem Betroffenen zur Kenntnis zu geben, so verletzt es seine Pflicht, einer Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zum Nachteil eines Beteiligten zugrunde zu legen, zu denen sich dieser vorher äußern konnte. Bei dieser Sachlage ist in aller Regel nicht auszuschließen, dass die Entscheidung auf dem Verfahrensfehler auch beruht.

2. Soll ein Einwilligungsvorbehalt im Zusammenhang mit der Verursachung sinnloser Gerichtskosten durch den Betroffenen angeordnet werden, ist konkret zu prüfen, ob diese Maßnahme überhaupt geeignet ist, eine erhebliche Vermögensgefahr von ihm abzuwenden.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; BGB § 1903 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Beschluss vom 26.11.2004; Aktenzeichen 3 T 266/04)

AG Norderstedt (Aktenzeichen 32-XVII Sch 226)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der angefochtene Beschluss, soweit die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts betroffen ist, aufgehoben. Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

 

Gründe

Die psychisch kranke Betroffene leidet seit längerer Zeit an einem Querulantenwahn, der dazu geführt hat, dass sie in der Vergangenheit zahlreiche sinnlose Prozesse geführt hat. Nach Erstattung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Nervenarztes Dr. A. am 22.6.2004, Einholung einer Stellungnahme der Betreuungsbehörde und der Anhörung der Betroffenen hat das AG am 15.7.2004 den Beteiligten zu ihrem Betreuer bestellt mit dem Aufgabenkreis Vertretung in Gerichtsverfahren und Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen sowie Einrichtungen. Auf Anregung des Beteiligten hat das AG am 19.10.2004 ergänzend für den vorgenannten Aufgabenkreis einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Die Anhörung der Betroffenen hat es nachgeholt. Diese hat gegen beide Beschlüsse Rechtsmittel eingelegt. In einem Vermerk der Berichterstatterin der erkennenden Kammer über ein Telefonat mit dem Beteiligten vom 25.11.2004, dessen Inhalt der Betroffenen nach Aktenlage nicht mitgeteilt worden ist, heißt es:

"Er teilte auf Nachfrage mit, dass aus den letzten 5 Jahren noch Kosten aus ca. 15 Verfahren offen sein könnten. Eine Liste der Landeskasse hat er noch nicht vorliegen. Die Kosten aus der Zivilsache XYZ. vor dem AG Norderstedt seien niedergeschlagen worden. Im Übrigen habe es in den letzten 15 Jahren ca. 40 Verfahren gegeben."

Das LG hat die Beschwerden zurückgewiesen. Gegen den Beschluss des LG, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 72 bis 74 d.A.) richtet sich die (sofortige) weitere Beschwerde der Betroffenen.

Die Rechtsmittel sind nach §§ 27, 29, 69g, 20, 21, 22 FGG zulässig.

Hinsichtlich der Betreuerbestellung ist die weitere Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, die keinen Rechtsfehler erkennen lässt, unbegründet. Nach dem auf Grund des Sachverständigengutachtens festgestellten Sachverhalt, an den das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich gebunden ist, liegen die Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1 und 2 BGB vor.

Hinsichtlich der Anordnung des Einwilligungsvorbehalts beruht die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG; 546 ZPO).

Das LG hat insoweit ausgeführt: Auf Grund ihrer Erkrankung habe die Betroffene eine Vielzahl von unzulässigen oder unbegründeten Verfahren vor den verschiedensten Gerichten anhängig gemacht. So habe es nach den Angaben des Betreuers in den letzten 15 Jahren ca. 40 Verfahren, aus den letzten 5 Jahren ca. 15 Verfahren gegeben, aus denen noch Gerichtskosten zu erwarten seien, sofern diese nicht niedergeschlagen würden. Zwar sei die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts nicht im Interesse Dritter, insb. zur Arbeitserleichterung des Betreuers oder der Gerichte, zulässig, jedoch laufe die Betroffene - was sich in der Vergangenheit deutlich gezeigt habe - infolge ihrer Erkrankung Gefahr, durch von ihr angestrengte aussichtslose bzw. unbegründete Gerichtsverfahren ständig neue, nicht unbeträchtliche Gerichtskosten zu begründen. Um von ihr diese erheblichen nachteiligen Kostenfolgen abzuwenden, sei der Einwilligungsvorbehalt erforderlich.

Zunächst ist das Verfahren des LG zur Feststellung des Sachverhalts fehlerhaft. Es hat gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, weil es den Inhalt des Telefonats vom 25.11.2004, auf den es seine Entscheidung "zu Lasten" der Betroffenen gestützt hat, ihr zuvor nicht mitgeteilt hat. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt - auch im Rechtsmittelverfahren - u.a. die Pflicht des Gerichts, keine Tatsachen und Beweisergebnisse zu verwerten, zu denen die Beteiligten vorher keine Stellung nehmen konnten (OLG Schleswig, Beschl. v. 22.4.2004, SchlHA 2004, 345; Keide...

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