Entscheidungsstichwort (Thema)
Heranziehung mehrerer Zweifelsregeln bei Auslegung eines Ehegattentestamentes
Normenkette
BGB §§ 2069, 2102 Abs. 1, § 2270 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Norderstedt (Beschluss vom 30.07.2012) |
Tenor
1. Den Beteiligten zu 3. bis 6. wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.
2. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3. und 6. wird der Beschluss des AG Norderstedt vom 30.7.2012 geändert:
Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1. vom 8.12.2010 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Kostenerstattung findet nicht statt.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 155.000 EUR.
Gründe
I. Die am 20.7.2010 verstorbene Erblasserin hatte aus ihrer Ehe mit ihrem 1995 vorverstorbenen Ehemann ... zwei Kinder, nämlich den Beteiligten zu 1. (B) und den wenige Wochen vor der Erblasserin - nämlich am ... - vorverstorbenen Herrn A. (Sterbeurkunde Bl. 114 d.A.). Herr A. seinerseits hatte ein einziges leibliches Kind, nämlich den Beteiligten zu 2. (X). Die Beteiligten zu 3. bis 6. sind die Kinder des Beteiligten zu 2., also die Urenkel der Erblasserin.
Nach dem Tod der Erblasserin übersandte der Notar ... aus ... dem Nachlassgericht die Kopie eines gemeinschaftlichen handschriftlichen Testamentes der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes vom 19.3.1975 mit dem Hinweis, er habe diese Kopie in der zu seiner Urkunde .../2002 geführten Akte gefunden (dabei handelt sich um ein notarielles Testament der Erblasserin, s. sogleich unten). In dem erwähnten gemeinschaftlichen Testament heißt es:
"Unser letzter Wille
Wir, die Eheleute ..., setzen uns gegenseitig als Vorerben ein.
Der Vorerbe ist berechtigt, ohne Zustimmung der Nacherben, allein über Grund- bzw. Wohnungseigentum zu verfügen. Diese alleinige Verfügungsberechtigung erlischt bei Wiederheirat des Überlebenden, d.h. ein Verkauf des Besitzes ohne Zustimmung der Nacherben wird dann ausgeschlossen. Die Nacherben können jedoch von sich aus den Verkauf eines solchen Besitzes nicht verlangen.
Als Nacherben zu gleichen Teilen bestimmen wir unsere beiden Kinder A (geb ...) und B (beb ...)...
Die Nacherbfolge soll beim Tode des Überlebenden eintreten. Das soll auch gelten, wenn der Überlebende noch einmal geheiratet hatte."
Zu der genannten UR-Nr .../2002 des Notars ... vom 14.5.2002 erklärte die Erblasserin u.a. wie folgt:
"Ich habe zusammen mit meinem inzwischen verstorbenen Ehemann ... am 19.3.1975 ein handschriftliches Testament errichtet, in dem mein Ehemann und ich uns gegenseitig zu Vorerben eingesetzt haben. Zu Nacherben haben wir, untereinander zu gleichen Teilen, unsere beiden Söhne A und B bestimmt. Unser gemeinschaftliches Testament berechtigt den Vorerben, ohne Zustimmung der Nacherben allein über Grund- und Wohnungseigentum zu verfügen.
Die in dem gemeinschaftlichen Testament vom 19.3.1975 getroffenen Verfügungen sind nicht wechselbezüglich, weil der der länger lebende Ehegatte ausdrücklich ohne Zustimmung der Nacherben allein über Grund- bzw. Wohnungseigentum verfügen können soll. Hinzu kommt, dass im Zweifel solche Erbeinsetzungen nicht wechselbezüglich sind, bei denen nach dem Tode des länger lebenden Ehegatten allein die gemeinschaftlichen Kinder ohne weitere testamentarische Anordnungen zum Zuge kommen.
Ich möchte das gemeinschaftliche Testament in folgenden Punkten ändern:
1. Meinen drei Urenkeln, den Kindern meines Enkels X, nämlich ... vermache ich - untereinander zu gleichen Teilen - meine Eigentumswohnung ...
2. Meinem Enkel X ... vermache ich ein lebenslanges unentgeltliches Nutzungsrecht an der Wohnung ...
...
5. Im Übrigen bleibt das gemeinschaftliche Testament vom 19.3.1975 unangetastet. Dies betrifft insbesondere die Schlusserbeneinsetzung meiner beiden Söhne A und B zu je der Hälfte des Nachlasses.
...
7. Diese Testamentsänderung soll zusammen mit dem Original des gemeinschaftlichen Testaments vom 19.3.1975 in amtliche Verwahrung genommen werden.
Schließlich erklärte die Erblasserin zur UR-Nr .../2010 des Notars ... vom 8.7.2010 u.a. wie folgt:
"Ich habe zusammen mit meinem am 4.3.1995 verstorbenen Ehemann ... handschriftlich am 19.3.1975 testiert, ich habe dieses Testament zu Protokoll des Notars ... am 14.5.2002 (UR-Nr .../2002) geändert. Ich möchte nochmals neu testieren ...
Frau ... erklärte ihren letzten Willen wie folgt:
1. Ich hebe mein Testament vom 14.5.2002 in vollem Umfang auf.
2. Zu meinen Erben setze ich untereinander zu gleichen Teilen, meine Urenkel ein, zurzeit ... (es folgen die Namen der Beteiligten zu 3. bis 6.).
...
5. Dieses Testament soll beim AG Norderstedt bei den beiden anderen Testamenten hinterlegt werden ...
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Beteiligte zu 1. (B) zur UR-Nr .../2010 des Notars ... vom 8.12.2010 die Erteilung eines Erbscheins, wonach die Erblasserin beerbt worden sei von ihm und dem Beteiligten zu 2. zu je 1/2-Anteil. In der Urkunde wird ausgeführt, nach Auffassung des B...