Entscheidungsstichwort (Thema)
Transparenz der Zuschlagkriterien bei der Vergabe eines Abfallentsorgungsauftrags
Leitsatz (amtlich)
1. Im Beschwerdeverfahren ist das Vergabeverfahren in der Form, die es durch die Entscheidung der Vergabekammer gefunden hat, im Hinblick auf die mit der Beschwerde erhobenen Rügen zu überprüfen.
2. Eine Verpflichtung zur Neuentscheidung kommt nicht in Betracht, wenn die Vergabekammer dabei – im Ergebnis – wieder die gleiche Entscheidung treffen müsste.
3. Erkannte Vergabefehler sind binnen ein bis drei Tagen zu rügen; in Zweifelsfällen steht den Bietern für die Prüfung und fachliche Unterstützung bei der Rüge von Vergabeverstößen eine Zeitspanne von längstens zwei Wochen zur Verfügung.
4. Die Transparenz der Vergabebedingungen und der Zuschlagkriterien sichert eine gleichmäßige Grundlage der Angebotswertung und die bessere sachliche Nachvollziehbarkeit der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots.
5. Die Vergabeentscheidung darf nur auf offen gelegte Zuschlagkriterien gestützt werden.
6. Wird bei der Zuschlagerteilung für einen über mehrere Jahre laufenden Dienstleistungsauftrag (hier: Abfallentsorgung) die für die Gesamtlaufzeit errechnete Gesamtauftragssumme und nicht die von den Bietern abgefragte Summe (nur) für das erste Jahr der Leistungserbringung zugrundegelegt, sind die wesentlichen für die Vertragslaufzeit relevanten Rechengrundlagen der Gesamtauftragssumme den Bietern bekanntzugeben.
Normenkette
GWB § 61 Abs. 1, § 97 Abs. 1-2, 5, 7, § 107 Abs. 3, § 114 Abs. 3, § 123 Abs. 2; VOL/A § 8 Nr. 1, §§ 9 a, 25 Nr. 3
Tatbestand
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (Bf.) wendet sich gegen den Beschluss der Vergabekammer Schleswig-Holstein, in dem ihm aufgegeben worden ist, das Verfahren für die Vergabe eines Auftrages über die Abfallsammlung im Kreis X aufzuheben.
Der schrieb Bf. Abfuhrleistungen für 2001 bis 2004 mit einem Auftragswert von ca. 3,3 Mio. EUR (inkl. MWSt.) europaweit öffentlich aus. Die Zuschlagsfrist lief Ende 2000 ab. In den Angebotsunterlagen hieß es:
„3.4 Die Auswahl erfolgt nach folgenden Kriterien:
- Wirtschaftlichkeit
- Verfügbarkeit
- Umweltverträglichkeit
… Der Zuschlag wird auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot erteilt. … .
6.2 … Durch die anstehende Schließung der Deponie D. ist eine grundlegende Änderung … der Abfallsammlungen zu erwarten, deren Auswirkungen … derzeit nicht einschätzbar sind… .
6.8 …. Bedingt durch die Veränderungen, die sich z. B. aus der Verschiebung der Mengenströme ergeben können, besteht … kein Anspruch auf Vergütung bestimmter Mengen …. Die Vergütung … setzt sich wie folgt zusammen:
Grundpreise:
Der Grundpreis je Abfallart (…) wird in EUR/Jahr festgelegt. …. Der Grundpreis wird für verschiedene Mengenstaffeln im LV abgefragt ….
Leistungspreise/Regelabfuhren:
… werden auf der Grundlage der Anzahl, Größe und des Entleerungsrhythmusses … berechnet. … .
6.9 Die Entgeltanpassung wird ausschließlich für den Grundpreis (…) vereinbart. Die Leistungspreise sowie die übrigen Preise werden für die Laufzeit des Auftrages festgeschrieben.”
In den unter Ziffer 9.9 bis 9.13 des Angebotes enthaltenen Aufstellungen waren – nur für das Jahr 2001 – Angaben über Behälteranzahl und Abfallmengen (u. a. Jahresganglinien) enthalten. Die von den Bietern im Leistungsverzeichnis anzugebenden Preise betrafen (ebenfalls) das Jahr 2001.
In einem internen Vermerk zur „Beurteilung der eingehenden Angebote” vom 14. September 2000 hat die Bf. die Kriterien der Vergabe wie folgt umschrieben:
„… Zur Beurteilung der Gesamtwirtschaftlichkeit ist … die sich ergebende Gesamtauftragssumme über die gesamte Laufzeit der Ausschreibung bis Ende 2004 entscheidend. ….
Für das Jahr 2001 sind die Mengen in der Ausschreibung genannt. …Für die folgenden Jahre ist dann…der Behälterbestand hochzurechnen…. Zusätzlich muss ab 2003 die voraussichtliche Schließung der Deponie D. berücksichtigt werden…. Der Zuschlag erfolgt auf Grundlage der Gesamtwirtschaftlichkeit, die sich aus der Gesamtauftragssumme über die Gesamtlaufzeit ergibt. Die Kriterien Verfügbarkeit und Umweltverträglichkeit dienen dann der Feinauswahl bei Grenzfällen.”
Die Bg. und die Beteiligte (Bet.) beabsichtigten – zunächst –, als Bietergemeinschaft ein Angebot abzugeben. Im Zuge der Angebotserstellung beanstandete die Bietergemeinschaft u. a. das Fehlen von Angaben zur künftigen Entwicklung der Abfallmengen. Nach Auflösung der Bietergemeinschaft gaben die Bet. die Bg. je ein Angebot ab.
Der Bf. lagen sieben Angebote vor; bei den Angebotssummen für 2001 ergab sich für die Bg. gegenüber der Bet. ein Preisvorteil; nach den von der Bf. errechneten Gesamtauftragssummen ergab sich – demgegenüber – für die Bet. ein Preisvorteil gegenüber der Bg.. Auf der Grundlage eines Vergabevermerks wurden die Bieter – darunter die Bg. – über die beabsichtigte Erteilung des Zuschlags an die Bet. informiert.
Dagegen richtete sich die Bg. mit ihrem Nachprüfungsantrag, in dem sie „Widerspruch” einlegte und um „Aufklärung” der „Gründe zur Abl...