Leitsatz (amtlich)

Die Verwirkung des Beschwerderechts der Staatskasse in Betreuervergütungssachen setzt Kenntnis von den anzufechtenden Entscheidungen oder treuwidrige Verhinderung der Zustellung dieser Entscheidungen voraus. Auch monatelange unbeanstandete Duldung einer rechtswidrigen Bekanntgabepraxis der AG, um auf Kosten der Antragsteller einen unzulässigen Fristvorteil zu erlangen, kann Verwirkung begründen.

 

Normenkette

FGG §§ 16, 22, 56g

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Beschluss vom 11.06.2001; Aktenzeichen 3 T 225/01, 3 T 226/01)

AG Rendsburg (Aktenzeichen 2 XVII 70/98)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.

Der Beschluss des AG vom 21.2.2000 wird unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Beteiligten zu 2) im Übrigen geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die der Beteiligten zu 1) für die Zeit vom 23.6.1998 bis zum 29.11.1999 aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung und zu erstattenden Aufwendungen werden auf insgesamt 3.124,11 DM festgesetzt.

Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) trägt die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach einem Geschäftswert von 1.029,75 DM. Die im Erstbeschwerdeverfahren und im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) tragen die Beteiligte zu 1) zu 88 % und die Landeskasse zu 12 %.

Der Geschäftswert wird für das Erstbeschwerdeverfahren und das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 1.168,50 DM festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1) wurde durch Beschluss des AG vom 3.3.1998 zur Betreuerin der mittellosen Betroffenen bestellt. Die Betreuung umfasste zunächst die Aufgabenkreise Vermögenssorge einschließlich Sozialleistungsangelegenheiten und Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden sowie die Einwilligung in ärztliche Heilbehandlungen. Durch Beschluss vom 28.6.1999 erweiterte das AG die Aufgaben der Beteiligten zu 1) um die Aufenthaltsbestimmung und die Gesundheitsfürsorge. Die Beteiligte zu 1) ist als Berufsbetreuerin tätig. Sie verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung zur Krankenschwester. Am 1.3.1973 hat sie erfolgreich die Prüfung in der Krankenpflege abgelegt. Außerdem absolvierte sie eine Weiterbildung zur Gestalttherapeutin und legte die Vorprüfung im Studiengang Sozialwesen ab.

Mit Schreiben vom 10.1.2000 (Bl. 72–80 d.A.), 15.1.2000 (Bl. 91–99 d.A.) und 12.2.2000 (Bl. 81–90 d.A.) hat die Beteiligte zu 1) für ihre Betreuungstätigkeit in der Zeit vom 23.6.1998 bis zum 29.11.1999 die Festsetzung einer Vergütung i.H.v. 3.340 DM (3.340 Minuten zu einem Stundensatz von 60 DM) und eines Aufwendungsersatzes i.H.v. 480,36 DM begehrt. Das AG hat die Vergütung und den Aufwendungsersatz mit Beschluss vom 21.2.2000 (Bl. 100 d.A.) antragsgemäß festgesetzt und im Hinblick auf die Mittellosigkeit der Betroffenen eine Erstattung aus der Landeskasse angeordnet.

Mit Schreiben vom 16.6.2000 (Bl. 104–113 d.A.) hat die Beteiligte zu 1) für die Zeit vom 1.12.1999 bis zum 8.6.2000 die Feststellung einer Vergütung i.H.v. 1.334 DM (1.334 Minuten zu einem Stundensatz von 60 DM) begehrt. Das AG hat die Vergütung mit Beschluss vom 19.6.2000 (Bl. 114 d.A.) antragsgemäß festgesetzt und wiederum eine Erstattung aus der Landeskasse angeordnet.

Die Beschlüsse des AG vom 21.2.2000 und 19.6.2000 sind lediglich der Beteiligten zu 1) formlos übersandt worden. Eine förmliche Zustellung ist nicht erfolgt.

Am 27.2.2001 hat das AG die Akten im Hinblick auf einen neuen – nicht verfahrensgegenständlichen – Vergütungsantrag der Beteiligten zu 1) zur Stellungnahme an die Beteiligte zu 2) übersandt. Die Akten sind am 1.3.2001 bei der Landeskasse eingegangen. Mit Schreiben vom 8.3.2001 hat die Beteiligte zu 2) die Auffassung vertreten, die Beteiligten zu 1) habe lediglich einen Anspruch auf einen Stundensatz i.H.v. 45 DM. Die Beteiligte zu 2) hat zugleich um nochmalige Übersendung der Akten gebeten – mit dem Hinweis, dass sie beabsichtige, sämtliche bisher ergangenen Vergütungsfestsetzungsbeschlüs-se anzufechten. Eine Abschrift dieses Schreibens hat das AG der Beteiligten zu 1) am 15.3.2001 übersandt. Mit Schreiben vom 4.4.2001 – beim AG eingegangen am 6.4.2001 – hat die Beteiligte zu 2) sofortige Beschwerden gegen die Beschlüsse des AG vom 21.2.2000 und 19.6.2000 eingelegt – mit dem Ziel der Festsetzung eines Stundensatzes von 45 DM. Das LG hat die Beschlüsse des AG mit Beschluss vom 11.6.2001 teilweise geändert. Es hat die Vergütung der Beteiligten zu 1) für die Zeit vom 23. Juni „1999” bis zum 29.11.1999 auf 2.505 DM (3.340 Minuten zu einem Stundensatz von 45 DM) und die Vergütung für die Zeit vom 1.12.1999 bis zum 8.6.2000 auf 1.000,50 DM (1.334 Minuten zu einem Stundensatz von 45 DM) herabgesetzt. Das LG hat die sofortige weitere Beschwerde zugelassen, soweit es den Stundensatz herabgesetzt hat. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungen des AG- und LG wird auf die Beschlüsse vom 21.2.2000 (Bl. 100 d.A.), 19.6.2000 (Bl. 114 d.A.) und 11.6.2001 (Bl. 181–184 d.A.) Be...

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