Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinsverfahren: Entbehrlichkeit der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren
Leitsatz (amtlich)
Über die Beschwerde in Erbscheinsverfahren kann nach § 68 Abs. 3 S. 1 FamFG unter Anwendung der Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug auch dann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, wenn erstinstanzlich ohne Verstoß gegen die §§ 32 ff. FamFG ein Termin und eine persönliche Anhörung der Beteiligten nicht stattgefunden hat (Rz. 11). § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG kommt nur zur Anwendung, wenn nach den einschlägigen Verfahrensvorschriften ein Termin, eine mündliche Verhandlung oder sonstige Verfahrenshandlungen durchzuführen sind (Rz. 13).
Normenkette
FamFG §§ 32, § 32 ff., § 68 Abs. 3 Sätze 1-2
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 3.000 EUR.
Gründe
I. Der Beteiligte beantragt die Einziehung eines Erbscheins vom 31. (richtig: 30.) März 1948, der nach dem Tode des am 30.8.1947 verstorbenen A erteilt worden ist.
A war in erster Ehe mit B verheiratet. Sie verstarb am 21.12.1934. Sie brachte einen Sohn C mit in die Ehe, den die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament vom 26.8.1933 als ihren Schlusserben einsetzten. In zweiter Ehe heiratete A Frau D. D hatte aus erster Ehe einen Sohn E. Aus der Beziehung zwischen D und A gingen der am 23.3.1937 vorehelich geborene Sohn F sowie der am 1.8.1939 geborene G hervor. Mit Beschluss des AG Hamburg vom 10.2.1943 wurde die Vaterschaft A für F rechtskräftig festgestellt. Am 8.4.1943 erklärte er die Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments aus erster Ehe gemäß den §§ 2078, 2079 BGB. Am gleichen Tage errichtete er ein neues, notariell beurkundetes Testament. In diesem setzte er F und G zu seinen Erben ein. Seiner Ehefrau vermachte er ein Vorausvermächtnis und am übrigen Nachlass einen lebenslänglichen Nießbrauch. Er machte ihr zur Auflage, aus den Einkünften des ihrem Nießbrauch unterliegenden Vermögens für den Lebensunterhalt, die Erziehung und die Ausbildung der Söhne zu sorgen. Bis zum 25. Lebensjahr des jüngsten Sohnes ordnete er Nachlassverwaltung durch einen Testamentsvollstrecker an. Wegen der Einzelheiten und weiterer Bestimmungen wird auf die Testamentsurkunde vom 8.4.1943 verwiesen.
F wurde wegen Geistesschwäche durch Beschluss des AG Hamburg vom 28.8.1972 entmündigt. Er starb kinderlos am 9.1.2009.
Nach seinem Tode hat der Beteiligte G die Einziehung des Erbscheins vom 30.3.1948 beantragt. Er hält ihn für fehlerhaft, weil er meint, dass der Vater den Sohn F niemals zum Erben eingesetzt hätte, wenn er - bei Erstellung des Testaments noch nicht absehbar - gewusst hätte, dass dieser nie eigenverantwortlich würde leben, eine Ehe eingehen und Kinder hinterlassen können. Dem Erblasser sei es nämlich stets ein Anliegen gewesen, sein Vermögen in der Familie zu halten. Es hätte nur an seine Söhne und deren Nachkommen übergehen sollen. Niemals hätte er gewollt, dass es, wie es jetzt der Fall wäre, teilweise an ihren Halbbruder E. Als Anhaltspunkt dafür hat er darauf verwiesen, dass der Erblasser sowohl diesen wie auch den Sohn der ersten Ehefrau, C, vom Erbe ausgeschlossen habe.
Das AG - Nachlassgericht - Pinneberg hat mit Beschluss vom 2.10.2009 die Einziehung des Erbscheins abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Erbschein dem im Testament niedergelegten Willen des Erblassers entspräche. Bei Errichtung des Testaments habe der Erblasser nicht absehen können, wie sich seine beiden noch kleinen Kinder später entwickeln würden. Er habe sie zu Erben eingesetzt, ohne Bedingungen damit zu verknüpfen. Insbesondere habe er keine Vor- und Nacherbschaft angeordnet. Nur hierdurch aber hätte er Einfluss auf die weiteren Eigentumsverhältnisse an seinem Nachlass nehmen können. Im Übrigen hätten die beiden Erben auch jederzeit, für den Erblasser erkennbar, selbst testamentarisch zugunsten Dritter verfügen können.
Der Beteiligte hat Beschwerde eingelegt. In der Begründung wiederholt und vertieft er seinen bisherigen Vortrag. Er rügt, dass das Nachlassgericht eine Auslegung des Testaments - sei es eine unmittelbare, sei es eine ergänzende - nicht vorgenommen habe.
II. Die nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der Senat konnte hierüber im schriftlichen Verfahren ohne Anberaumung eines Termins oder einer mündlichen Verhandlung entscheiden.
Die maßgebliche Vorschrift des § 68 Abs. 3 FamFG ist insoweit allerdings missverständlich. In S. 1 wird auf die Anwendung der für den ersten Rechtszug geltenden Vorschriften verwiesen. In S. 2 heißt es, dass von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen abgesehen werden könne, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden seien. Da dies hier nicht der Fall ist, wäre dies dem Wortlaut der Norm nach vor dem Senat nachzuholen. Dafür spricht auf den ers...