Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält nach nochmaliger Überprüfung gegen die inzwischen herrschende Meinung an seiner Auffassung fest, dass der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens in der Regel (nur) auf die Hälfte des mutmaßlichen Hauptsacheinteresses des Antragstellers zu schätzen ist.
Normenkette
ZPO §§ 3, 485; GKG § 12 Abs. 1, § 25
Verfahrensgang
LG Kiel (Beschluss vom 05.06.2003; Aktenzeichen 9 OH 19/01) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren wird auf 46.125 Euro festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
Die nach § 25 Abs. 3 S. 1 GKG zulässige Beschwerde der Antragestellerin hat teilweise Erfolg. Das LG geht in dem angefochtenen Beschluss zum einen von unzutreffenden Mängelbeseitigungskosten aus. Zum anderen legt es in dem Nichtabhilfebeschluss vom 4.7.2003 Bemessungsgrundsätze dar, die der Senat nicht teilt.
1. Weitgehend unbestritten ist der rechtliche Ausgangspunkt, dass der Wert eines selbständigen Beweisverfahrens gem. §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen ist (zweifelnd Wirges, JurBüro 1997, 565 [566]; a.A. Cuypers NJW 1994, 1985 [1990], der § 6 ZPO heranzieht). Dabei kommt es gem. § 15 GKG für die Wertberechnung auf den Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Anträge an.
Da der Antragsteller eines selbständigen Beweisverfahrens nicht die Verurteilung des Antragsgegners, sondern die Feststellung von Tatsachen und des Aufwandes für die Beseitigung noch festzustellender Schäden und Mängel betreibt, besteht Einigkeit darüber, dass mangels bezifferter Anträge auf das mit dem Beweisverfahren verfolgte wirtschaftliche Interesse zurückzugreifen ist. Der Antragsteller ist – abgesehen von § 23 GKG – sowohl bei einem Beweissicherungsantrag nach § 485 Abs. 1 ZPO als auch bei einem Verfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO gehalten, darzulegen, wozu er die begehrten Feststellungen benötigt, weil er anderenfalls das erforderliche rechtliche Interesse an seinem Antrag nicht darlegen kann. Im Übrigen muss er schon wegen § 486 Abs. 2 S. 1 ZPO Ausführungen zum Wert eines späteren Hauptsachverfahrens machen, wobei es dabei allerdings nur auf die Streitwertgrenze des § 23 Nr. 1 GKG ankommt.
In aller Regel wird der Antragsteller sich daher eines bestimmten materiell-rechtlichen Anspruchs berühmen, für dessen Durchsetzung er die begehrten Feststellungen benötige. Auf die Schlüssigkeit seiner Berühmung kommt es dabei nicht an. Sie ist ebenso wenig zu prüfen, wie die Erheblichkeit des beantragten Beweises für einen späteren Hauptprozess (Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 485 Rz. 4 m.w.N.).
Es liegt daher in der Natur der Sache, dass der Antragsteller zur Höhe einer etwaigen Forderung wegen der noch ausstehenden Ermittlung durch das beantragte Sachverständigengutachten nur ungefähre Angaben machen kann, es sei denn, er verfügt entweder aufgrund eigener Sachkunde oder wegen zuvor schon eingeholter Gutachten oder Kostenvoranschläge über genauere Kenntnisse. Diese Schwierigkeit, die auch in einem Hauptsacheprozess jedenfalls auf die Kostenentscheidung Auswirkungen haben kann, § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, hat den Senat dazu veranlasst, den Antragsteller nur in den genannten Ausnahmefällen an seinen in der Antragsschrift benannten Vorstellungen über den geltend gemachten Anspruch in entspr. Anwendung des § 15 GKG festzuhalten, sein wirtschaftliches Interesse i.Ü. aber im Ausgangspunkt nach dem Ergebnis der Begutachtung zu messen. Auch das führt allerdings nicht weiter, wenn Schäden oder Mängel entweder gar nicht oder nur zum Teil festgestellt werden. Auch für die behaupteten, aber nicht festgestellten Schäden oder Mängel muss vom Gericht ein wirtschaftliches Interesse geschätzt werden.
2. Von der inzwischen ganz überwiegenden Meinung werden die Darlegungen des Antragstellers zu seinem rechtlichen Interesse und seine Vorstellungen über einen auf das erhoffte Ergebnis des Beweisverfahrens gestützten möglichen Anspruch unmittelbar zur Bestimmung des Streitwerts des selbständigen Beweisverfahrens herangezogen, zum Teil in Abweichung von den Vorstellungen des Antragstellers auch ein vom Sachverständigen ermittelter höherer Mängelbeseitigungsaufwand (Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rz. 16 „selbständiges Beweisverfahren” m.w.N.; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rz. 4024a; umfassende Nachweise bei OLG Köln ZfBR 2000, 123; auch Schneider MDR 1998, 252 [255]).
Das hält der Senat auch nach nochmaliger Überprüfung seiner abweichenden ständigen Rspr. für im Ansatz verfehlt. Er hält mit einer Minderheit der OLG an seiner bisherigen Auffassung fest, dass das selbständige Beweisverfahren streitwertmäßig nur mit einem Bruchteil des verfolgten Hauptsacheinteresses bewertet werden kann (OLG Schleswig, SchHAnz 1994, 184; 2000, 118; 2002, 292; im Ansatz, nicht immer i.E. ebenso: OLG Düsseldorf, ZMR 2001, 21 [22]; OLG Hamm, BauR 1995, 430; OLG Celle v. 5.10.1993 – 4 W 259/93, OLGReport Celle 1994, 31 = MDR 1994, 415; OLG Bamberg, Ba...