Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewerbungsbemühungen eines ausländischen Unterhaltsverpflichteten
Leitsatz (amtlich)
Zur Darlegung ausreichender Bewerbungsbemühungen durch einen ungelernten, aus dem Ausland stammenden und nicht ausreichend Deutsch sprechenden Beklagten, der auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen wird.
Normenkette
BGB § 1601
Verfahrensgang
AG Neumünster (Beschluss vom 11.08.2006; Aktenzeichen 41 F 113/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der ihm Prozess-kostenhilfe versagende Beschluss des AG - FamG - Neumünster vom 11.8.2006 in der Fassung der teilweisen Abhilfe durch den Beschluss vom 21.8.2006 teilweise geändert.
Dem Beklagten wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. in B. ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er sich gegen einen höheren Unterhaltsanspruch als 110 EUR monatlich verteidigen will.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt.
Gründe
Der am 20.10.1978 geborene Beklagte ist Ende 2003 aus der Türkei nach Deutschland gekommen und seitdem bis auf kurze Probearbeitsverhältnisse arbeitslos gewesen. Seit März 2006 arbeitet er als Reinigungskraft in einem türkischen Imbiss in B. und verdient 160 EUR monatlich anrechnungsfrei auf das zuletzt i.H.v. 527 EUR bezogene Arbeitslosengeld II.
Die seit Mitte Januar 2006 getrennt lebenden verheirateten Parteien haben eine am 5.3.2005 geborene Tochter, für die die Klägerin, die sie betreut, Unterhalt verlangt.
Nachdem dem Beklagten Prozesskostenhilfe für die erhobene Stufenklage versagt (Beschluss des Einzelrichters des Senats vom 19.7.2006 - 15 WF 160/06) und die Auskunftsstufe nach einem Anerkenntnisurteil vom 18.5.2006 für erledigt erklärt worden war, hat der Beklagte ggü. dem Zahlungsbegehren von 199 EUR monatlich ab März 2006 erneut Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung beantragt.
Im Wege der teilweisen Abhilfe seiner gegen die Ablehnung erhobenen sofortigen Beschwerde ist dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 21.8.2006 Prozesskostenhilfe bewilligt worden, soweit er sich gegen einen höheren Unterhaltsanspruch als 160 EUR monatlich verteidigen will.
Die gem. §§ 127 Abs. 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist in einem weiteren Umfang teilweise begründet.
Aufgrund seines mit Schriftsatz vom 10.8.2006 erstmals dargestellten Schul- und Ausbildungsganges ist nunmehr festzustellen, dass der Beklagte die türkische Mittelschule nach der achten Klasse verlassen, ca. vier Jahre ohne Berufsabschluss bei einem auf die Reparatur von Silberschmuck spezialisierten Juwelier gearbeitet hat und dann in diesem Bereich bis zu seiner Einreise nach Deutschland selbständig tätig war. Der Beklagte dürfte deshalb nur als nach den Maßstäben in Deutschland ungelernte Kraft dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, allerdings mit mehrjährigen Kenntnissen im Bereich der Schmuckreparatur.
Dass er sich vor diesem Hintergrund auch nur ansatzweise ausreichend beworben hat, um eine die Zahlung von Kindesunterhalt sicherstellende Arbeitsstelle zu finden, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte hat lediglich 13 Bewerbungen bzw. Absagen für die Zeit vom 09. Mai bis 13.6.2006 vorgelegt, die sich auf B. beschränken, inhaltlich wenig aussagekräftig und teilweise ohne vorhergehende Stellenausschreibung erfolgt sind und die sich auf Stellen als Juwelier (!), Reinigungskraft und bei Zeitarbeitsfirmen beschränken.
Soweit der Beklagte sich auf seine unzureichenden Kenntnisse der deutschen Sprache zurückzieht, ist einerseits nicht ersichtlich, welche Bemühungen er nach dem Absolvieren eines sechswöchigen Sprachkurses bei der Wirtschaftsakademie entfaltet hat, um die Sprachkenntnisse deutlich zu verbessern. Der allgemeine Hinweis auf solche Bemühungen im Schriftsatz vom 28.9.2006 reicht nicht.
Andererseits ist nicht dargetan, dass sich der Beklagte auch um Stellen bei türkischen Arbeitgebern mit jedenfalls zum Teil türkischer Kundschaft bemüht hat, die es in Schleswig-Holstein und Hamburg gerichtsbekannt zahlreich gibt.
Bei dieser Sachlage kommt die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Vermittelbarkeit unzureichend Deutsch sprechender Ausländer (Türken) bei deutschen Arbeitgebern und mangelnder Arbeitsstellen mit ausreichenden Verdienstmöglichkeiten bei türkischen Arbeitgebern nicht in Betracht.
Bei ausreichenden Bewerbungsbemühungen und Anstrengungen, die deutsche Sprache zu erlernen, ist es dem uneingeschränkt arbeitsfähigen Beklagten möglich, als ungelernte Kraft im Raume Schleswig-Holstein und Hamburg jedenfalls 1.000 EUR netto monatlich zu verdienen. Über diesen Bereich hinausgehende Bewerbungen dürften dem Beklagten nicht abzuverlangen sein, da ihm der Umgang mit seinem Kind nicht durch weit entfernte Arbeitsstellen erschwert werden darf (vgl. BVerfG v. 29.12.2005 - 1 BvR 2076/03, FamRZ 2006, 469).
Der Beklagte selbst geht von einem durchschnittlichen Bruttostundenlohn von 8 EUR für ungelernte Kräfte aus (unter Bezugnahme auf die Ent...