Entscheidungsstichwort (Thema)
In Schleswig-Holstein muss auch auf vielbefahrenen und verkehrswichtigen Straßen mit einer Schlaglochtiefe von 5 bis 8 cm gerechnet werden.
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers in Form einer Reparaturpflicht besteht bei einem Schlagloch auf einer Bundesstraße üblicherweise erst dann, wenn dieses eine Tiefe von mindestens 15 cm aufweist.
2. Ein unverzüglich abhilfebedürftiger Zustand besteht nicht schon bei einer Schlaglochtiefe von 5 bis 8 cm, weil - jedenfalls in Schleswig-Holstein - mit derartigen Schlaglöchern auch auf vielbefahrenen und verkehrswichtigen Straßen gerechnet werden muss.
3. Eine Kontrolldichte von zwei Kontrollen wöchentlich (Streckenberichte) ist bei Bundesstraßen, wie der B 207, ausreichend. Dies gilt auch dann, wenn es bereits zuvor Ausbesserungen mit Kaltmischgut gegeben hat.
4. Das Rechtsfahrgebot gilt auch für schwere Motorräder.
Normenkette
BGB §§ 254, 839 Abs. 1; GG Art. 34; StrWG SH § 10 Abs. 4; StVG § 7 Abs. 2, § 17 Abs. 3; StVO § 2 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Kiel (Aktenzeichen 3 O 33/23) |
Tenor
1. Der Kläger wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung gegen das angefochtene Urteil offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.
3. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug auf 2.837,77 EUR
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen einer angeblichen Verkehrssicherungspflichtverletzung im Bereich der Bundesstraße 207 hinter der Fehmarnsundbrücke in Fahrtrichtung Puttgarden / Fehmarn.
Streitig ist, ob der Kläger am 28.08.2022 mit seinem Motorrad Harley Davidson durch ein Schlagloch auf der B 207 fuhr und das Motorrad dabei beschädigt wurde.
Die B 207 wird zweimal wöchentlich Sichtkontrollen unterzogen, u.a. am 26.08.2022. Am 28.08.2022 befand sich hinter der Fehmarnsundbrücke in Fahrtrichtung Norden ein Schlagloch mittig auf dem rechten Fahrstreifen. Das Ausmaß des Schlaglochs ist streitig.
Ausweislich eines vom Kläger eingeholten Schadensgutachtens wurde das Vorderrad beschädigt und belaufen sich die Reparaturkosten auf 2.101,63 EUR netto. Für das Privatgutachten wurden dem Kläger Kosten in Höhe von 716,14 EUR in Rechnung gestellt.
Der Kläger hat behauptet, er sei am 28.08.2022 mit seinem Motorrad auf der B 207 hinter der Fehmarnsundbrücke in Richtung Norden gefahren. Dabei sei er durch ein 5-8 cm tiefes Schlagloch in der Fahrbahndecke gefahren. Das Schlagloch sei bereits seit mehreren Wochen vorhanden und für ihn nicht erkennbar gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
1. das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 2.121,63 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.11.2022 zu bezahlen;
2. das beklagte Land zu verurteilen, ihn von der Inanspruchnahme durch das KFZ-Sachverständigenbüro X-GmbH über 716,14 EUR, freizustellen;
3. das beklagte Land zu verurteilen, an ihn als den Streitwert nicht erhöhende Nebenforderung 420,07 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagzustellung zu bezahlen;
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, das Schlagloch sei lediglich 4 cm tief gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung nebst den dortigen Verweisungen Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG nicht zu. Es fehle bereits an einer Amtspflichtverletzung, insbesondere habe das beklagte Land keine Verkehrssicherungspflicht im Zusammenhang mit dem Schlagloch auf der B 207 verletzt.
Der Umfang der Amtspflicht werde von der Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgeblich bestimmt. Sie umfasse die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Benutzer hinreichend sicheren Straßenzustands, wobei jedoch absolute Gefahrlosigkeit nicht gefordert werden könne. Grundsätzlich sei die Straße von den Verkehrsteilnehmern so hinzunehmen, wie sie sich erkennbar darstelle. Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginne erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei. Schlaglöcher von geringer Tiefe s...