Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg für Streitigkeiten nach Organstellungsverlust eines Vorstandsmitglieds
Leitsatz (amtlich)
Der Verlust der Organstellung eines Vorstandsmitglieds einer Betriebskrankenkasse durch die freiwillige Vereinigung zweier Betriebskrankenkassen führt nicht notwendig dazu, dass das Anstellungsverhältnis zu einem Arbeitsverhältnis wird. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, aus denen folgt, dass die Vertragsparteien den auf die Anstellung zum Organvertreter gerichteten Vertragsinhalt aufgehoben und ein Arbeitsverhältnis begründet haben. Anderenfalls gilt das frühere Vorstandsmitglied gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG für Rechtsstreitigkeiten mit der Betriebskrankenkasse weiterhin nicht als Arbeitnehmer mit der Folge, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist.
Normenkette
GVG §§ 13, 17a; SGG § 51; ArbGG § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1; SGB 4 § 35a; SGB 5 § 150
Verfahrensgang
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist zulässig.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerdewert beträgt 108.934 EUR.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits sind Feststellungsanträge des Klägers im Zusammenhang mit der Fortsetzung seiner Tätigkeit bei der Beklagten, einer Betriebskrankenkasse, nach der freiwilligen Vereinigung zweier Betriebskrankenkassen zu einer gemeinsamen Betriebskrankenkasse zum 1.4.2009, seiner Nichtwiederwahl zum Vorstandsmitglied, der außerordentlichen Kündigung vom 7.4.2009 und des Rücktritts der Beklagten vom 24.4.2009 von der Ergänzungsvereinbarung vom 12.1.2009. Der Kläger war von 1999 bis Ende 2008 Vorstandsmitglied der Vor-Vorgängerin der Beklagten und seit dem 1.1.2009 Vorstandsmitglied der Vorgängerin gleichen Namens der Beklagten, die sich zum 1.4.2009 nach § 150 SGB V mit der Betriebskrankenkasse der N. zu einer gemeinsamen Betriebskrankenkasse vereinigte.
Der Kläger hat den Rechtsstreit beim LG Itzehoe anhängig gemacht. Mit Beschluss vom 5.11.2009 hat das LG sich auf Antrag der Beklagten für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das ArbG Elmshorn verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger Arbeitnehmer i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG sei und die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG auf ihn keine Anwendung finde. Gegen diesen ihnen am 11.11.2009 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 24.11.2009 sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, die Zuständigkeit der ArbG sei nicht gegeben. Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 13.1.2010 nicht abgeholfen.
II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gem. §§ 17a Abs. 4 S. 3 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO).
Die Beschwerde ist begründet. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist eröffnet. Gemäß § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder VG begründet ist oder aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Maßgebend für die Frage, ob ein Rechtsstreit gem. § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte gehört, ist allein der Vortrag des Klägers einschließlich des unstreitigen Vorbringens. Es kommt nur darauf an, ob die tatsächlichen Behauptungen des Klägers, ihre Richtigkeit unterstellt, und der unstreitige Sachverhalt Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen ergeben, für welche die Zuständigkeit der Zivilgerichte besteht. Abweichende Tatsachenbehauptungen des Beklagten sind in diesem Zusammenhang unbeachtlich (BGH NJW 1996, 3012; Zöller/Gummer, ZPO, 28. Aufl., § 13 GVG Rz. 54).
Die Streitigkeit fällt nicht in die Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, die gem. § 51 Abs. 1 und Abs. 2 SGG über öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung entscheiden. Der Streit eines Mitarbeiters einer Betriebskrankenkasse mit dieser als seiner Arbeitgeberin über Ansprüche aus dem seiner Tätigkeit zugrunde liegenden Vertrag ist eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit aus einem Dienstvertrag gem. § 611 BGB, auch wenn die Betriebskrankenkasse eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist (BGH NJW 1985, 2194). Der Streit ist auch keine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung, weil er nicht die Erfüllung der der Krankenkasse nach dem SGB V obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrifft (BGH NJW 2007, 1819).
Die Streitigkeit ist auch nicht durch Bundesrecht den ArbG als besonderen Gerichten zugewiesen. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmer i.S.v. § 2 ArbGG sind gem. § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG Arbeiter und Angestellte ...