Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückabwicklung von Verbraucherkreditverträgen mit Restschuldversicherung bei rechtzeitigem Widerruf
Leitsatz (amtlich)
1. Ein zeitgleich abgeschlossener Verbraucherkreditvertrag und ein Restschuldversicherungsvertrag können ein verbundenes Geschäft i.S.v. § 358 Abs. 3 BGB darstellen.
2. Bei der Rückabwicklung der verbundenen Verträge tritt gem. § 358 Abs. 4 S. 3 BGB der Darlehensgeber in die Rechte und Pflichten des Unternehmers ein mit der Folge einer (teilweisen) Konsumtion. Die einander gegenläufigen Rückabwicklungsansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung des Nettokreditbetrages einschließlich marktüblicher Zinsen sowie des Darlehensnehmers gegen den Unternehmer (hier die Versicherung) auf Rückzahlung der geleisteten Zins- und Tilgungsraten fallen in der Person des Darlehensgebers mit der Folge zusammen, dass es im Zeitpunkt des Widerrufs - in Abhängigkeit von der Höhe der bereits geleisteten Raten sowie der Restlaufzeit der Versicherung - zumindest teilweise zu einem Forderungsverbrauch kommt.
3. Im Rahmen der Rückabwicklung kann die Bank von dem Darlehensnehmer die Rückzahlung des Nettokreditbetrages, soweit er nicht zur Finanzierung des Versicherungsvertrages diente, zzgl. marktüblicher Zinsen als Nutzungsersatz gem. §§ 357 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 346 Abs. 1 und 347 BGB verlangen. Wegen der Finanzierung der Versicherungsprämien durch die Bank schuldet der Kunde gem. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB Wertersatz für den empfangenen Versicherungsschutz.
4. Die Bank ist im Rahmen der Rückabwicklung gem. §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB zur Rückzahlung der geleisteten Zins- und Tilgungsraten verpflichtet. Der Kunde hat ferner gegen die Bank gem. §§ 358 Abs. 4 Satz 3, 357, 346 Abs. 2 Nr. 1, Satz 2 BGB i.V.m. § 9 VVG einen Anspruch auf Rückzahlung des auf den Zeitraum nach der Widerrufserklärung vom 12.5.2009 entfallenden Teils der Versicherungsprämien.
Normenkette
BGB § 346 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, S. 2, §§ 347, 357 Abs. 1 S. 1, § 358 Abs. 3, 4 S. 3; VVG § 9
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Aktenzeichen 7 O 15/09) |
Tenor
Der Antrag des Beklagten vom 5.1.2010 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen, soweit der Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Klagabweisung in Höhe eines Betrages von 27.262,14 EUR beantragt.
Im Übrigen wird dem Beklagten Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. ... ohne Ratenzahlung bewilligt.
Gründe
Das LG hat den Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 29.726,74 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.4.2009 aus 29.608,80 EUR zu zahlen. Die mit der Berufung verfolgte Rechtsverteidigung des Beklagten auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Klagabweisung hat nur insoweit Erfolg, als sie über einen Betrag von 27.262,14 EUR hinaus geht (mithin i.H.v. 2.464,80 EUR). Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.
1. Der Widerruf des Beklagten vom 12.5.2009 ist rechtzeitig erfolgt. Der von dem Beklagten und seiner mittlerweile getrennt lebenden Ehefrau am 29.1.2007 abgeschlossene Darlehensvertrag sowie der ebenfalls am 29.1.2007 von dem Beklagten allein abgeschlossenen Restschuldversicherungsvertrag (Bl. 198 GA) stellen ein verbundenes Geschäft i.S.v. § 358 Abs. 3 BGB dar. Ob ein Darlehensvertrag und ein Restschuldnersicherungsvertrag i.S.v. § 358 Abs. 3 BGB verbunden sind, war in der Rechtsprechung der Instanzgerichte bislang umstritten (bejahend OLG Schleswig NJW-RR 2007, 1347, 1348; OLG Rostock NJW-RR 2005, 1416; verneinend u.a. OLG Celle WM 2009, 1600, 1601 f.; OLG Oldenburg 2009, 796, 797; offen gelassen u.a. OLG Schleswig WM 2009, 1606, 1607). Nunmehr hat der BGH (Urteil vom 15.12.2009 - Az.: XI ZR 45/09, WM 2010, 166-170) entschieden, dass ein Darlehensvertrag und ein Restschuldversicherungsvertrag verbundene Verträge bilden, soweit die Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 BGB vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Das Darlehen "diente" - anders als das LG meint - teilweise i.H.v. 5.795,11 EUR der Finanzierung des Restschuldversicherungsvertrages, das heißt eines Vertrages über die Erbringung einer "anderen Leistung" i.S.v. § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB. Zwischen dem Darlehensvertrag und dem Versicherungsvertrag besteht in diesem Fall auch eine wirtschaftliche Einheit i.S.v. § 358 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz BGB. Dazu bedarf es der Verknüpfung beider Verträge durch konkrete Umstände, die sich nicht wie notwendige Tatbestandsmerkmale abschließend umschreiben lassen, sondern im Einzelfall verschieden sein oder gar fehlen können, wenn sich die wirtschaftliche Einheit aus anderen Umständen ergibt (BGH WM 2008, 967 Tz. 25; WM 2010, 166 ff., Tz. 30 m.w.N.). Zu diesen Indizien gehören die Zweckbindung des Darlehens zur Finanzierung eines bestimmten Geschäfts, durch die dem Darlehensnehmer die freie Verfügbarkeit über die Darlehensvaluta genommen wird, der zeitgleiche Abschluss beider Verträge, das Verwenden einheitlicher ...