Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorfahrtsverletzung bei Abbiegeunfall: Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung bei Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch den (früheren) Prozessbevollmächtigten des Gläubigers

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der gebotenen Interessenabwägung kommt die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung auch dann in Betracht, wenn der Prozessbevollmächtigte des Gläubigers an der erteilten Ausfertigung ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der (frühere) Prozessbevollmächtigte aus der zuerst erteilten vollstreckbaren Ausfertigung nicht mehr vollstreckt.

 

Normenkette

ZPO §§ 33, 733

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Beschluss vom 18.11.2009; Aktenzeichen 5 O 191/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG Kiel vom 18.11.2009 aufgehoben und das LG Kiel angewiesen, dem Kläger eine zweite vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vom 25.1.2007 zu erteilen.

Der Beklagte zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des LG vom 18.11.2009, durch den sein Antrag auf Erteilung einerweiteren vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs vom 25.1.2007 mit der Begründung zurückgewiesen worden ist, dass eine weitere vollstreckbare Ausfertigung grundsätzlich nicht zu erteilen sei, wenn der Prozessbevollmächtigte des Gläubigers an der erteilten Ausfertigung ein Zurückbehal-tungsrecht geltend macht, ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 11 Abs. 1 RPflG, §§ 793, 567, 569 ZPO). Insbesondere konnte der Kläger die sofortige Beschwerde persönlich einlegen (§§ 569 Abs. 3 Nr. 1, 78 Abs. 3, 724 Abs. 2 ZPO).

Die Beschwerde ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass ihm eine weitere vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vom 25.1.2007 erteilt wird. Nach dem Vergleich ist der Beklagte zu 1. u.a. verpflichtet, an den Kläger 5.400 EUR in monatlichen Raten ä 300 EUR beginnend ab dem 1.3.2007 zu zahlen und wird diese Forderung sofort fällig, wenn der Beklagte zu 1. mit mehr als zwei Raten in Verzug ist. Der Beklagte zu 1. hat hierauf 2.270 EUR gezahlt, nämlich zunächst 1.800 EUR und sodann, da er die Mietwohnung nicht pünktlich geräumt hat, eine halbe Monatsmiete i.H.v. weiteren 470 EUR. Die erste vollstreckbare Ausfertigung ist dem früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers erteilt worden. Er macht an ihr ein Zurück-behaltungsrecht wegen einer von ihm nach Verrechnung des Teilbetrages von 2.270 EUR noch errechneten rückständigen Gebührenforderung gegen den Kläger i.H.v. 401,46 EUR geltend. Ein späterer Prozessbevollmächtigter des Klägers hat einen Differenzbetrag von 343,28 EUR errechnet. Der Kläger selbst meint, dass maßgeblich sei, dass er nach der Kostenregelung des Vergleichs nur ein Fünftel der Kosten zu tragen habe.

Die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung setzt, wenn die zuerst erteilte Ausfertigung nicht zurückgegeben wird, trotz der Formulierung als Kann-Bestimmung in § 733 Abs. 1 ZPO grundsätzlich voraus, dass der Schuldner gehört wird (Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 733 Rz. 11). Dies ist hier geschehen.

Des Weiteren muss der Gläubiger ein Interesse an einer nochmaligen vollstreckbaren Ausfertigung haben und dürfen berechtigte Interessen des Schuldners nicht verletzt oder gefährdet werden. Ein Interesse an der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung wird bejaht bei Verlust der ersten Ausfertigung, wenn gleichzeitig an mehreren Orten in verschiedene Vermögenswerte des Schuldners zu vollstrecken ist, wenn ein Gesamtgläubiger oder ein Mitgläubiger eines unteilbaren Anspruchs gesondert eine Ausfertigung zur selbständigen Vollstreckung gegen den Schuldner verlangt oder wenn der Titel gegen Gesamtschuldner ausgefertigt ist und der Gläubiger ein Interesse an selbständiger Vollstreckung gegen die einzelnen Schuldner an verschiedenen Orten ... hat. Für die Frage berechtigte Interessen des Schuldners gefährdet werden, kommt es auf die Umstände ... (Zöller-Stöber, a.a.O., § 733 Rz. 4-9).

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob eine weitere vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen ist, wenn der Prozessbevollmächtigte des Gläubigers an der erteilten Ausfertigung ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht. Teils wird ein solcher Anspruch im Hinblick auf die Gefährdung berechtigter Interessen des Schuldners verneint (Zöller/Stöber, ... § 733 Rz. 9; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 733 Rz. 6 Stichwort "Zurückbehaltungsrecht"; OLG Saarbrücken RuS 1981, 91; LG Hannover Rpfleger 1981, 444). Teils wird ein Anspruch generell (MK-Wolfsteiner, ZPO, 3. Aufl., § 733 Rz. 13; Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 733 Rz. 5; OLG Stuttgart Rpfleger 1995, 220) bzw. jedenfalls für Unterhaltstitel (Musielak-Lackmann, ZPO, 7. Aufl., § 733 Rz. 6; OLG Hamm FamRZ 1998, 640; OLG Schleswig SchlHA 1999, 156). bzw. jedenfalls dann bejaht, wenn der Prozessbevollmächtigte die Herausgabe verwe...

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