Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Prüfung einer hypothetischen Einwilligung des Patienten bei einem möglichen Aufklärungsfehler des Arztes
Leitsatz (amtlich)
Beruft sich der Behandler auf den Vorwurf des Patienten, er habe ihn nicht ordnungsgemäß aufgeklärt, nach § 630h Abs. 2 BGB auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung, muss zunächst einmal festgestellt werden, inwieweit der Patient vor dem Eingriff hätte aufgeklärt werden müssen. Es bedarf für die Entscheidung über die hypothetische Einwilligung dann aber keiner Feststellung, ob der Patient tatsächlich vollständig aufgeklärt worden ist.
Normenkette
BGB §§ 630d, 630e, 630h Abs. 2
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 18.05.2018, Az. 8 O 142/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche in Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung durch den Beklagten im Zeitraum vom 25.07.2002 bis zum 19.10.2004.
Zum Sachverhalt wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Mit Urteil vom 18.05.2018 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Behandlungsfehler des Beklagten nicht bewiesen und auch mit der erhobenen Aufklärungsrüge dringe die Klägerin nicht durch, da jedenfalls der vom Beklagten erhobene Einwand der hypothetischen Einwilligung Erfolg habe. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung gegen die Abweisung der Klage und verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.
Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen folgendes vor:
Das Landgericht habe das Wesen der hypothetischen Einwilligung grundlegend verkannt.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts setze der Einwand der hypothetischen Einwilligung gemäß § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB zunächst die Feststellung von Aufklärungsfehlern voraus. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätte ein Aufklärungsfehler festgestellt werden müssen. Dies sei verfahrensfehlerhaft unterlassen worden.
Eine schadenskausale Aufklärungspflichtverletzung liege vor, weil der Beklagte es unterlassen habe, die Klägerin auf gleichermaßen indizierte alternative Behandlungsmöglichkeiten mit wesentlich unterschiedlichen Chancen und Risiken hinzuweisen und der Verzicht auf die Operation(en) die Schäden der Klägerin vermieden hätte. Die Abweisung der Klage wegen hypothetischer Einwilligung, weil die Klägerin einen Entscheidungskonflikt nicht habe darlegen können, sei schon deshalb falsch, weil das Landgericht zu den streitigen Behandlungsalternativen (vor allem Fortsetzung der konservativen Behandlungen durch Physiotherapie) keine vollständigen Feststellungen getroffen habe und deshalb die Klägerin auch zu den Chancen und Risiken, die sie aus Sicht ex ante ergreifen bzw. in Kauf nehmen wollte, nicht habe befragen können und auch nicht befragt habe. Es sei fehlerhaft, dass sich das Landgericht lediglich darauf beschränkt habe, die operative Behandlung (trotz sachverständig bestätigter größerer Risiken) als die bessere Alternative zu bewerten und der Klägerin unterstellt habe, dass sie sich ohnehin hätte operieren lassen, weil sie eine medikamentöse Therapie nicht gewollt habe. Dies sei schon deshalb nicht richtig, weil die Alternative des Verzichts auf die Kreuzbandplastik keineswegs zwingend mit der Einnahme von Schmerzmitteln verbunden gewesen wäre und die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer hypothetischen Einwilligung ausschließlich bei dem Beklagten liege.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 100.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 359.600,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 5.667,43 EUR zu zahlen,
3. den Beklagten zu verurteilen, an sie eine monatliche Rente in Höhe von 2.029,30 EUR beginnend ab dem 01. April 2016, jeweils vierteljährlich im Voraus (zum 01. Januar, 01. April, 01. Juli und 01. Oktober eines jeden Jahres) zu zahlen, sowie
4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr, der Klägerin alle...