Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesanhörung im Umgangsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Im Umgangsrechtsverfahren kann die unterlassene Anhörung der betroffenen Kinder ein wesentlicher Verfahrensmangel sein, der die Aufhebung und Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren rechtfertigt.
2. Will das FamG von einer gutachterlichen Empfehlung abweichen, darf es sich bei der weiteren Beweiserhebung nicht mit der Einholung einer telefonischen Auskunft einer anderen unbenannten Sachverständigen begnügen.
Normenkette
FGG § 50b
Verfahrensgang
AG Ahrensburg (Beschluss vom 09.10.2007; Aktenzeichen 20 F 199/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - FamG - Ahrensburg vom 9.10.2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG - FamG - Ahrensburg zurückverwiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Der Antragsgegnerin wird Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlung unter Beiordnung des Rechtsanwalts aus bewilligt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um das Umgangsrecht des Antragstellers mit den gemeinsamen Töchtern A, geboren am 28.8.1998 und B, geboren am 28.8.1998.
Die Kinder sind aus der am 19.12.1997 geschlossenen Ehe der Parteien hervorgegangen. Die Ehe wurde durch Urteil des AG Ahrensburg vom 12.7.2001 - 20 (8) F 313/99 geschieden. Dabei wurde die elterliche Sorge für die Töchter auf die Kindesmutter übertragen. In einem Umgangsrechtsverfahren bei dem AG - FamG - Ahrensburg, Az. 20 F 223/01 hat das Gericht mit Beschluss vom 19.6.2003 den Umgang des Antragstellers mit den Kindern ausgeschlossen. Grundlage war ein Gutachten des Sachverständigen Dr. C, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie vom 3.3.2003, das zu dem Ergebnis kam, dass der Antragsteller an einer schweren seelischen Erkrankung leide. Wegen wahnhafter Gedanken und Realitätsverlust sei ein unbeschränkter oder eingeschränkter alleiniger Kontakt zu den Kindern nicht möglich.
Der Antragsteller begehrt nunmehr erneut eine Umgangsregelung. Das FamG hat erneut ein Gutachten des Sachverständigen Dr. C eingeholt und aufgrund dieses Gutachtens den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. Er beantragt weiter Umgang mit seinen Kindern. Er bringt vor, er sei gesund. Es lägen keine Beweise dafür vor, dass ein direkter Kontakt mit seinen Kindern nachteilig sei.
II. Die nach § 621e ZPO zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - befristete Beschwerde hat teilweise Erfolg. Die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FamG zurückzuverweisen, da das amtsgerichtliche Verfahren an wesentlichen Mängeln leidet.
Das FamG hat es unterlassen, die Kinder der Parteien persönlich anzuhören. Nach § 50b Abs. 1 u. 3 FGG hat das Gericht in einem Verfahren, dass die Personensorge betrifft, das Kind grundsätzlich persönlich anzuhören, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes von Bedeutung sind; von solchen Anhörungen darf nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden. Für eine Entscheidung in einem Umgangsrechtsverfahren nach § 1684 BGB sind Neigungen, Bindungen und der Kindeswille in aller Regel von Bedeutung. Will das Gericht gleichwohl von der Anhörung der Kinder absehen, muss es die leitenden Gründe darlegen. Schwerwiegende Gründe, die es geboten erscheinen lassen, von einer persönlichen Anhörung der Kinder abzusehen, liegen aber im Rahmen einer vorzunehmenden Interessenabwägung nur dann vor, wenn durch die Anhörung das Kind aus seinem seelischen Gleichgewicht gebracht wird und eine Beeinträchtigung seines Gesundheitszustandes zu besorgen ist (vgl. BGH NJW-RR 1986, 1130/1131; Engelhard in Keidl/Kunze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 50 Behrend Nr. 27 m.w.N.).
Gründe, von der persönlichen Anhörung der Kinder abzusehen, führt der angefochtene Beschluss nicht an. Die persönliche Anhörung der Kinder ist nachzuholen, denn diese hat das Ziel, dem Richter von den betreffenden Kindern einen persönlichen Eindruck zu verschaffen und möglichst ihren Willen sowie Neigungen und Bindungen kennen zu lernen.
Von einer Anhörung hat auch nicht deshalb abgesehen werden können, weil nach dem derzeitigen Stand ein Umgang des Antragstellers mit den Kindern in jeder Form schlechthin ausgeschlossen ist. Zum einen kommt ein brieflicher Kontakt infrage. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. C vom 30.7.2007 ist es zudem denkbar, dass es zu persönlichem Kontakt unter Begleitung einer dritten Person kommt. Es ist nach dem Gutachten dabei nicht zu erwarten, dass der Antragsteller seine paranoide Gedankenwelt den Kindern direkt mitteilt. Allerdings so der Sachverständige - sei zweifelhaft, ob die Kinder von dem Kontakt seelisch profitieren könnten. Falls die Kinder unter dem Kontakt leiden, müsse er untersagt werden. Danach scheint ein begleiteter Umgang des Kindesvaters mit den Kindern ...