Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung des Umganges bei Entführungsbefürchtungen
Leitsatz (amtlich)
1. Hat das FamG durch gesonderten Beschluss das erweiterte Umgangsrecht eines Elternteils eingeschränkt, über das es durch Verbundurteil vom selben Tag in der Folgesache Umgangsrecht entschieden hat, so kann der betroffene Elternteil den gesonderten Beschluss unter Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung nach den für die Anfechtung des Verbundurteils und der darin entschiedenen Folgesachen geltenden Vorschriften anfechten.
2. § 1684 Abs. 4 Satz 1 BGB ermöglicht als Maßnahme zur Vermeidung des völligen Ausschlusses des Umganges auch eine Beschränkung des Umganges auf das Inland. Die Umgangsbefugnis kann aber nur eingeschränkt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Elternteil die Kinder - nach Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil - ins Ausland entführen will. Bloße Ängste des anderen Elternteils ohne konkrete Anhaltspunkte reichen insoweit nicht aus.
Normenkette
BGB § 1684 Abs. 4; ZPO §§ 517, 621e Abs. 3
Verfahrensgang
AG Lübeck (Beschluss vom 28.03.2007; Aktenzeichen 123 F 214/04) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der gesonderte Beschluss des AG - FamG - Lübeck vom 28.3.2007 aufgehoben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Es wird zunächst Bezug genommen auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom heutigen Tage im Parallelverfahren Sorgerecht (12 UF 73/07).
Das FamG hat durch gesonderten Beschluss neben dem Verbundurteil vom 28.3.2007 dem Antragsgegner untersagt, mit den beiden gemeinsamen Kindern das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, und den Antragsgegner mit den Kindern zur Grenzfahndung ausgeschrieben. Den Beschluss hat es im Verbundurteil betreffend die Folgesache Umgangsrecht damit begründet, dass die einzige Gefährdung, die mit der im Verbundurteil auf Antrag des Antragsgegners erfolgten Ausdehnung des Umgangsrechts verbunden sein könne, eine Entführung der Kinder sei; mit der im gesonderten Beschluss geregelten Absicherung, die neben dem Minderjährigenschutzabkommen und strafrechtlichen Maßgaben bestehe, könne der Umgang in der erweiterten Form stattfinden.
Der gesonderte Beschluss ist dem Antragsgegner zusammen mit dem Verbundurteil am 3.4.2007 zugestellt worden.
Der Antragsgegner hat mit am 24.4.2007 eingegangenem Schriftsatz gegen das Urteil des FamG das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Entscheidung zum Sorgerecht eingelegt. Nach bewilligter Fristverlängerung bis zum 3.7.2007 hat der Antragsgegner mit am 29.6.2007 eingegangenem Schriftsatz seine Beschwerde begründet und auch auf den gesondert ergangenen Beschluss vom 28.3.2007 erstreckt.
Der Antragsgegner macht mit seiner Beschwerde gegen den gesonderten Beschluss geltend:
Es handele sich um eine Nebenentscheidung zur Hauptsache, mit der das FamG ausdrücklich seine Umgangsregelung habe absichern wollen. Die Ausschreibung zur Grenzfahndung sei unverhältnismäßig, da in der EU Freizügigkeit herrsche, er nach dem Beschluss aber die Bundesrepublik überhaupt nicht mehr verlassen könne. Auch das Verbringungsverbot sei nicht gerechtfertigt. Das FamG habe wohl übersehen, dass es das HKÜ gebe, das für schnelle Rückführungen Sorge trage, wobei A Vertragsstaat sei. Ob ein Verbringungsverbot für den Bereich außerhalb der EU zulässig sei, möge dahinstehen.
Wenn überhaupt solche Absicherungen möglich seien, möge jedenfalls der Antragstellerin verboten werden, mit den Kindern zu einem Freund in ... zu ziehen.
Der Antragsgegner beantragt, den parallel zum Verbundurteil ergangenen Beschluss vom 28.3.2007 ersatzlos aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor:
Der Sicherungsbeschluss habe angesichts der seitens des Antragsgegners verbüssten erheblichen Haftstrafe wegen Verstoßes gegen das BtMG und seiner außerhalb Deutschlands liegenden Wurzeln sowie seiner zornigen und cholerischen Reaktionen ergehen müssen; die schnelle und unbürokratische Rückführung aufgrund des HKÜ sei schlichte Theorie.
Sie selbst habe keinerlei Absichten,... zu reisen oder dort gar zu leben und habe dort auch keinen Freund. Gleiches gelte für A.
Der Senat hat neben den Kindeseltern auch das Jugendamt ... und die betroffenen Kinder persönlich angehört.
II.1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt.
Zwar hat der Antragsgegner den gesonderten Beschluss vom 28.3.2007, der seinem damaligen Prozessbevollmächtigten zusammen mit dem Verbundurteil am 3.4.2007 zugestellt worden ist, erstmalig in dem am 29.6.2007 eingegangenen Beschwerdebegründungsschriftsatz angegriffen, so dass die sich aus § 621e Abs. 3 i.V.m. § 517 ZPO ergebende Monatsfrist für die Beschwerdeeinlegung eigentlich abgelaufen war.
Der Sache nach handelt es sich bei dem gesondert ergangenen Beschluss aber um eine Einschränkung des erweiterten Umgangsrechtes des Antragsgegners, über das das FamG im Verbundu...