Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachliche Zuständigkeit für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Verbot des Angebots eines illegalen Tonträgers (sog. bootleg) bei einer Internetauktion

 

Normenkette

ZPO §§ 2-9; GVG § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1; UrhG § 97 Abs. 2 S. 3; GKG § 62S 1

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Beschluss vom 05.12.2014; Aktenzeichen 8 O 181/14)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin nach einem Wert von 4.400 EUR.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin, eine Gesellschaft nach US-amerikanischem Recht und Inhaberin der Leistungsschutzrechte bezüglich sämtlicher und jeglicher musikalischer Darbietungen und Aufnahmen bis zum 5.3.2008 der Musikgruppe M., begehrt, der Antragsgegnerin verbieten zu lassen, einen Doppel-LP Tonträger mit insgesamt 22 Titeln des Musikgruppe M. anzubieten. Sie hat mit Schriftsatz vom 19.9.2014 bei dem LG Flensburg einen Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung gestellt.

Mit Beschluss vom 22.9.2014 hat das LG den Streitwert vorläufig auf bis zu 5.000 EUR festgesetzt und der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, die Verweisung an das AG Pinneberg zu beantragen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat mit Beschluss vom 17.11.2014 als unzulässig verworfen.

Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 5.12.2014 als unzulässig zurückgewiesen. Die sachliche Zuständigkeit des LG sei nicht gegeben.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung begehrt. Sie ist der Auffassung, für den vorliegenden Fall sei ein Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch von 10.000 EUR angemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die Beschwerdebegründung Bezug genommen.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die statthafte und im Übrigen zulässig erhobene sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Zu Recht hat das LG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unzulässig zurückgewiesen, weil es für die Entscheidung über das streitgegenständliche Unterlassungsbegehren gem. §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG sachlich nicht zuständig ist. Der Wert des Streitgegenstands übersteigt 5.000 EUR nicht.

Der für die sachliche Zuständigkeit nach dem GVG maßgebende Streitwert ("Zuständigkeitsstreitwert") bestimmt sich gem. § 2 ZPO - entgegen der Annahme der Antragstellerin - ausschließlich nach den §§ 3 bis 9 ZPO. Der Zuständigkeitsstreitwert hat mit den Streit- bzw. Gegenstandswerten, die sich aus den Kostengesetzen (§§ 3, 48 GKG bzw. §§ 2 Abs. 1, 23 Abs. 1 RVG) ergeben, grundsätzlich nichts zu tun (vgl. Schneider, in: Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rz. 12).

Ausgangspunkt und Maß der Bewertung des Zuständigkeitsstreitwerts ist allein - was das LG auch berücksichtigt hat - das nach objektiven Maßstäben zu beurteilende individuelle Interesse der Antragstellerin. Im Übrigen sind allein die normativen Vorgaben der §§ 4, 6 bis 9 ZPO zu beachten (vgl. Wöstmann in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., zu § 2 Rz. 20 und zu § 3 Rz. 4-9). In einem Verfahren betreffend einen Unterlassungsanspruch wegen einer Urheberrechtsverletzung sind bei der Wertfestsetzung Art und Umfang der Verletzung des geschützten Rechts sowie das wirtschaftliche Interesse des Urheberrechtsinhabers zu berücksichtigen (Senat, Beschl. v. 9.7.2009 - 6 W 12/09, GRUR-RR 2010, 126, zitiert nach juris Rz. 6; vgl. auch OLG Celle, ZUM-RD 2014, 486, zitiert nach juris Rz. 5).

Hinsichtlich Art und Umfang der Verletzung des Urheberrechts der Antragstellerin ist vorliegend von der beabsichtigten Veräußerung eines Doppel-LP Tonträgers mit insgesamt 22 Aufnahmen eines illegalen Mitschnitts (sog. bootleg) eines Konzerts der Musikgruppe M. im Jahr 1986 in O. auszugehen. Dabei wurde der als "neuwertig" beschriebene Tonträger von der nicht gewerblich handelnden Antragsgegnerin einmalig bei eBay zum Kauf angeboten. Hinsichtlich des wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin ist zu berücksichtigen, dass die Musikgruppe M. gerichtsbekannt in den 1980er Jahre sehr erfolgreich war, seitdem weltbekannt ist und - nach den Angaben der Antragstellerin - bis heute etwa 50 Millionen Tonträger verkauft hat. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Antragstellerin ein elementares wirtschaftliches und auch ein künstlerisches Interesse daran hat, dass nur die von ihr lizenzierten Aufnahmen veröffentlicht und verbreitet werden, und unter Berücksichtigung eines mutmaßlichen Sammlerwerts der "historischen" Aufnahmen aus dem Jahr 1986, ist für die (objektive) Bemessung des wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin an ihrem Unterlassungsbegehren maßgebend, dass körperliche Tonträger, insbesondere Vinyl-Tonträger, für die Musikindustrie gerichtsbekannt keine wesentliche ökonomische Bedeutung mehr haben...

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