Entscheidungsstichwort (Thema)
Taschengeldpfändung wegen vorehelicher Darlehensschuld
Leitsatz (amtlich)
An eine Billigkeitsentscheidung nach § 850b Absatz 2 ZPO (hier Taschengeldpfändung wegen vorehelicher Darlehensschuld) sind strenge Anforderungen zu stellen.
Normenkette
ZPO § 850b Abs. 2
Verfahrensgang
AG Eckernförde (Beschluss vom 18.08.2002; Aktenzeichen 16 M 1605/99) |
LG Kiel (Beschluss vom 09.04.2001; Aktenzeichen 13 T 233/00) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 31.8.2000 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Eckernförde vom 18.8.2000 wird zurückgewiesen.
Die Gläubigerin trägt die Kosten beider Beschwerderechtszüge nach einem Beschwerdewert von jeweils 5.040 DM.
Gründe
Die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin ist gem. § 793 Abs. 2 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 569 Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO.
1. Entgegen der Ansicht der Gläubigerin ist die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin nicht deshalb unzulässig, weil im Rubrum der Beschwerdeschrift versehentlich die Gläubigerin falsch bezeichnet worden ist.
Die sofortige weitere Beschwerde ist gem. §§ 569 Abs. 1, 577 Abs. 2 S. 2 ZPO in zulässiger Weise beim LG, das den angefochtenen Beschluss erlassen hat, eingelegt worden. Dann kommt es in entsprechender Anwendung des § 518 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur darauf an, ob das LG selbst eindeutig feststellen konnte, welcher Beschluss angefochten werden sollte. Daran bestanden für das LG keine Zweifel, weil alle anderen Angaben des Rubrums, insbesondere das Aktenzeichen und das Entscheidungsdatum zutreffend von der Schuldnerin in der Beschwerdeschrift angegeben worden sind.
Jederzeit behebbare Identitätszweifel sind selbst in Berufungssachen unschädlich (Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 518 Rz. 33).
Dann gilt dies umso mehr im Beschwerdeverfahren, in dem das Gesetz keine besonderen Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift stellt (Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 569 Rz. 6).
2. Das Rechtsmittel der Schuldnerin ist begründet, weil der Gläubigerin keine Billigkeitsgründe zur Seite stehen, die es ausnahmsweise erforderlich machen könnten, den nach § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO grundsätzlich unpfändbaren Taschengeldanspruch der Schuldnerin gegen den Drittschuldner aufgrund einer Ermessensentscheidung des Vollstreckungsgerichts zur Pfändung zuzulassen.
a) Zu Unrecht bekämpft die weitere Beschwerde allerdings die Auffassung des LG, der Taschengeldanspruch des nicht berufstätigen Ehegatten sei als Teil des Unterhaltsanspruchs gem. §§ 1360, 1360a BGB eine unter den Voraussetzungen des § 850b Abs. 2 ZPO grundsätzlich bedingt pfändbare Unterhaltsrente. Das ist zwischen ganz herrschender Meinung in der Rechtsprechung (Nachweise bei Zöller/Stöber, § 850b Rz. 18). Auch der Senat hat sich dieser Meinung wiederholt angeschlossen.
Allerdings ist der weiteren Beschwerde einzuräumen, dass der Widerstand gegen diese Praxis in Wissenschaft- und Kommentarliteratur wächst.
Es werden beachtliche Gründe dafür geltend gemacht, dass ein Individualanspruch des in häuslicher Gemeinschaft lebenden, haushaltsführenden und nicht verdienenden Ehegatten auf eine bezifferte Geldsumme als Taschengeld schwerlich mit der gesetzlichen Regelung des Familienunterhalts in intakter Ehe als Kollektivunterhalt gem. §§ 1360, 1360a BGB in Einklang gebracht werden kann (Smid, JurBüro 1988, 1105 [1117]; Derleder JurBüro 1994, 195 [198]; Haumer, FamRZ 1996, 193 [195]; Braun, Der Taschengeldanspruch des Ehegatten, AcP 195, 1995, 311 durchgehend; Smid in MünchKomm/BGB, 2. Aufl. 2001, § 850b Rz. 7). Auch Stöber hat sich diesen Bedenken inzwischen angeschlossen (ders., Forderungspfändung, 12. Aufl., Rz. 1015; ferner in: Zöller/Stöber, § 850b Rz. 18).
Es trifft zu, dass es einen Taschengeldanspruch nur in der reinen „Hausfrauenehe” geben kann. Es gibt ihn als ausscheidbaren Einzelanspruch weder beim Trennungsunterhalt noch beim Geschiedenenunterhalt; er entfällt in aller Regel, sobald der bisher nicht berufstätige Ehegatte eine auch nur geringfügige Nebentätigkeit aufnimmt (BGH v. 21.1.1998 – XII ZR 140/96, MDR 1998, 472 = NJW 1998, 1553 [1555]; Palandt/Brudermüller, BGB, 60. Aufl., § 1360a Rz. 4). Es versteht sich, dass im letzteren Falle für gewöhnliche Gläubiger wegen der Pfändungsfreigrenzen jeder Vollstreckungszugriff entfällt. Das Argument, der angebliche Taschengeldanspruch sei in Wahrheit nur eine dogmatische Konstruktion, um Gläubigern eines nicht verdienenden Ehegatten den Vollstreckungszugriff auf Teile des Einkommens des anderen Ehepartners zu ermöglichen, ist daher nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Der Senat hält gleichwohl vorläufig aus Gründen der Rechtssicherheit an seiner bisherigen Rechtsprechung zur bedingten Pfändbarkeit des Taschengeldanspruchs fest. Er ist der Auffassung, dass den vorgetragenen Bedenken in weitem Umfange durch eine restriktive Auslegung und Anwendung der Billigkeitsklausel des § 850b Abs. 2 ZPO Rechnung getragen werden kann, aber auch muss (...