Entscheidungsstichwort (Thema)
Materielle Rechtmäßigkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung insbesondere im Hinblick auf die Kontrolle limitierender Maßnahmen
Leitsatz (amtlich)
1. Die in § 12b Abs. 1a Satz 3 VAG a.F. bzw. § 155 Abs. 2 Satz 3 VAG vorgesehene Kontrolle des Treuhänders im Hinblick auf die vom Versicherer vorgenommenen beitragslimitierenden Maßnahmen - und entsprechend die gerichtliche Kontrolle im Streit um die materielle Rechtmäßigkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung - erstrecken sich in erster Linie auf drei ganz spezifische Aspekte, nämlich - im Interesse aller Versicherungsnehmer - auf einen ihre Belange als Gesamtheit wahrenden Einsatz der vorhandenen Rückstellungen zur Beitragsdämpfung und - im Interesse älterer Versicherungsnehmer - auf eine angemessene Verwendung des Überzinses nach § 12a Abs. 3 VAG a.F. (§ 150 Abs. 4 VAG n.F.) sowie auf die Rücksichtnahme auf deren unterschiedliche "Vorleistungen" beim gesetzlichen Zuschlag.
2. Im Übrigen beschränkt sie die Kontrolle auf eine Beobachtung etwaiger offensichtlicher "Ausreißer" die allgemein formulierbaren Grundsätzen einer angemessenen Mittelverwendung krass widerstreiten.
3. Der Prüfungsmaßstab in Bezug auf die limitierenden Maßnahmen ist lediglich eine überblicksartige - objektiv-generalisierende - Betrachtungsweise.
4. Anhaltspunkte dafür, dass ein verschriftlichtes Limitierungskonzept des Versicherers mit detaillierten Angaben etwa zur seiner (tarifspezifischen) Motivation, eine diesbezügliche Dokumentation oder auch nur ein ausführlicher Prüfvermerk des Treuhänders erforderlich wären, sind dem Gesetz und seiner Entstehungsgeschichte nicht zu entnehmen (entgegen KG, Urteile vom 8. Februar 2022 - 6 U 88/18 und 6 U 20/18 sowie OLG Stuttgart, Urteil vom 17. Mai 2021, 7 U 237/18).
Normenkette
VAG a.F. § 12a Abs. 3, § 12b Abs. 1a S. 3; VAG § 150 Abs. 4, § 155 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LG Flensburg (Aktenzeichen 4 O 253/18) |
Tenor
Der Senat weist im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 28. November 2022 und den Schriftsatz des Klägers vom 20. Dezember 2022 auf folgende Beurteilung der Sach- und Rechtslage hin:
Gründe
I. Der Kläger verlangt die Rückzahlung von Krankenversicherungsbeiträgen.
Der 1964 geborene Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Krankenversicherung u.a. mit den Tarifen X ... (Krankheitskosten), Y (Zahn) und Z (Tagegeld) die zu Ende November 2018 endete.
Die Beklagte erhöhte in einzelnen dieser Tarife zum Januar der Jahre 2010, 2012, 2013, 2016 und 2017 die Beiträge, worüber sie den Kläger jeweils im November zuvor informierte. Die Beklagte zog bis einschließlich September 2018 sämtliche Beiträge im Einverständnis des Klägers von dessen Konto ein.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 28. Mai 2018 (Anlagenkonvolut K 10) ließ der Kläger geltend machen, die Beitragserhöhungen seien unwirksam, dies schon deshalb, weil die Mitteilungen den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG nicht entsprächen, ferner deshalb, weil angesichts des erheblichen Anstiegs der Beiträge innerhalb kurzer Zeit davon auszugehen sei, dass die Prämien bereits anfänglich falsch kalkuliert gewesen seien und daher auch die materiellen Voraussetzungen für die Prämienerhöhungen nicht vorgelegen hätten. Die daraus abgeleitete Forderung, 16.754,76 EUR zurückzuzahlen, die Höhe der gezogenen Nutzungen mitzuteilen und anzuerkennen, dass sie auch in Zukunft nur entsprechend geringere Beiträge einziehen werde, wies die Beklagte mit Schreiben vom 13. Juni 2018 (noch Anlagenkonvolut K 10) zurück.
Mit seiner im September 2018 eingereichten Klage hat der Kläger die Zahlung von nunmehr 17.950,92 EUR und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 1.195,83 EUR begehrt, darüber hinaus die Feststellungen, dass zum einen die sieben Tariferhöhungen unwirksam seien und ihn nicht zur Zahlung der jeweiligen Erhöhungsbeträge verpflichteten und zum anderen die Beklagte ihm zur Herausgabe von Nutzungen auf die Prämienanteile einschließlich Zinsen verpflichtet sei. Er hat geltend gemacht, in den Erhöhungsverlangen seien nicht, wie vom Gesetz gefordert, die maßgeblichen Gründe dargelegt. Dafür hätten die Änderung der jeweiligen Rechnungsgrundlage mit dem Prozentsatz der Veränderung bezogen auf den konkreten Tarif und die maßgebliche Beobachtungseinheit angegeben und darüber hinaus der Treuhänder mit Anschrift namhaft gemacht werden müssen. Hier seien außerdem die von der Beklagten herangezogenen Treuhänder tatsächlich nicht unabhängig gewesen. Im Übrigen hat er bestritten, dass die materiellen Erhöhungsvoraussetzungen vorgelegen hätten.
Die Beklagte hat sich dem entgegengestellt. Die Prämienerhöhungen seien inhaltlich zureichend dahin beschrieben, dass jeweils die Leistungsausgaben Auslöser der Beitragsanpassung gewesen seien; eine weitergehende Begründung sei nicht erforderlich. Auch sei sie ggf. entreichert (Bl. 68ff.). Schließlich hat sie die Einrede der Verjährung erhoben (Bl. 50).
Das Landgericht hat die Bekl...