Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Verwertung des Telefonberichts eines Arztes im Unterbringungsverfahren ohne vorherige Information des Betroffenen
Leitsatz (amtlich)
Stützt das Beschwerdegericht seine Feststellung, die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 BGB lägen weiterhin vor, (auch) auf einen telefonischen Bericht des behandelnden Stationsarztes ggü. dem Berichterstatter, ohne diesen vor der Entscheidung der Betroffenen zur Kenntnis zu geben, so verletzt das Gericht seine aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Pflicht, einer Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zum Nachteil eines Beteiligten zugrunde zu legen, zu denen dieser sich vorher äußern konnte. Bei dieser Sachlage ist in aller Regel nicht auszuschließen, dass die Entscheidung auf dem Verfahrensfehler auch beruht.
Verfahrensgang
LG Lübeck (Beschluss vom 31.03.2004; Aktenzeichen 7 T 125/04) |
AG Eutin (Aktenzeichen XVII G 162) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Gründe
I. Auf Antrag des Beteiligten hat das AG mit Beschluss vom 19.3.2004 gestützt auf § 1906 Abs. 1 BGB die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung längstens bis zum 30.4.2004 genehmigt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das LG mit Beschluss vom 31.3.2004 zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungen des Amts- und LG wird auf die Beschluss vom 19.3.2004 (Bl. 166 f. d.A.) und 31.3.2004 (Bl. 174-181d.A.) Bezug genommen. Gegen den Beschluss des LG hat die Betroffene form- und fristgerecht sofortige weitere Beschwerde eingelegt.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist gem. §§ 70m Abs. 1, 70g Abs. 3 S. 1, 22, 27 Abs. 1, 29 FGG zulässig. Sie hat in der Sache auch Erfolg, weil die Entscheidung des LG auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
Das LG hat den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Es hat seine Feststellung, die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 BGB lägen weiterhin vor, auf einen "telefonischen Bericht" des behandelnden ärztlichen Sachverständigen Dr. S. vom 30.3.2004 (Bl. 173d.A.) gestützt. Dieser "telefonische Bericht" ist der Betroffenen vor der Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht worden. Sie konnte dazu deshalb auch nicht Stellung nehmen. Durch diese Verfahrensweise hat das LG seine aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Pflicht verletzt, einer Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zum Nachteil einer Beteiligten zugrunde zu legen, zu denen diese sich vorher äußern konnte (vgl. dazu Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 12 Rz. 148 m.w.N.). Außerdem hat das LG nicht in dem erforderlichen Umfang überprüft, ob der "telefonische Bericht" des behandelnden ärztlichen Sachverständigen Dr. S. zur Frage der weiterhin bestehenden Unterbringungslage zutreffend ist. Davon hätte es sich mit Hilfe eines persönlichen Eindrucks von der Betroffenen überzeugen müssen (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 29.12.1993, 2 W 163/93 - BtPrax 1994, 62; BVerfG v. 7.10.1981 - 2 BvR 1194/80, BVerfGE 58, 208 [223] = MDR 1982, 377; v. 17.1.1990 - 2 BvR 1592/88, NJW 1990, 2309 [2310]). Das LG hat zwar ausgeführt, es habe von einer erneuten Anhörung der Betroffenen und eines Sachverständigen abgesehen, weil davon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten gewesen seien. Aus dem Vermerk über das Telefonat mit dem behandelnden ärztlichen Sachverständigen Dr. S. vom 30.3.2004 ergibt sich demgegenüber aber, dass das LG eine ergänzende Anhörung eines Sachverständigen tatsächlich doch für erforderlich gehalten hat. Auf das Ergebnis dieser Anhörung hat das LG seine Entscheidung auch in mehreren Punkten gestützt. Bei dieser Sachlage ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung des LG auf den festgestellten Verfahrensfehlern beruht. Deshalb war die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen (vgl. dazu grundsätzlich Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27 Rz. 17).
Fundstellen
Haufe-Index 1163701 |
FamRZ 2005, 64 |
BtPrax 2004, 154 |
FPR 2004, 709 |
SchlHA 2004, 345 |
OLGR-BHS 2004, 370 |