Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit bei Wertersatzanspruch für gerichtlich angeordneten Verfall. Verfall. Strafverfahren. Rechtswegzuweisung
Leitsatz (amtlich)
Keine ausschließliche Zuständigkeit der Strafgerichtsbarkeit, soweit der Berechtigte Wertersatz für einen gerichtlich angeordneten Verfall erstrebt.
Normenkette
StPO §§ 111f, § 439 ff.; GVG § 17a; StGB §§ 73, 73a
Verfahrensgang
LG Flensburg (Entscheidung vom 25.04.2012; Aktenzeichen 2 O 115/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Flensburg vom 25.04.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt das beklagte Land nach einem Gegenstandswert von bis zu 2.600,00 €.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Zahlung von 18.000,00 €, deren Verfall durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Lübeck vom 09.03.2012 (3 KLS 17/08) angeordnet wurde.
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Ehefrau des Klägers, die Zeugin A., wurde bei einer Durchsuchung am 08.09.2008 ein gestückelter und in Videokassettenhüllen aufbewahrter Geldbetrag in Höhe von 18.000,00 € beschlagnahmt und mit Beschluss des Amtsgerichts Lübeck der dingliche Arrest angeordnet. In Vollziehung des Arrestes wurde das beschlagnahmte Geld am 10.09.2008 gepfändet und bei der Deutschen Bundesbank eingezahlt. Mit Schriftsatz vom 12.09.2008 beantragte die Verteidigerin der Zeugin A. die Herausgabe des gepfändeten Bargeldes an den Kläger. Mit Beschluss vom 10.10.2008 wies das Amtsgericht Lübeck diesen Antrag zurück und bestätigte die Pfändung. Die Beschwerde gegen die Anordnung des Arrestes wurde durch Beschluss des Landgerichts Lübeck vom 14.10.2008 verworfen. Im Urteil des Landgerichts Lübeck vom 09.03.2009 wurde die Zeugin A. zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt und der Verfall von 18.400,00 € angeordnet.
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Herausgabe des Geldes oder dessen Wertersatz und behauptet, Eigentümer des Geldes gewesen zu sein. Das beklagte Land hat die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges bestritten und vertritt die Auffassung, es sei ausschließlich der strafprozessuale Rechtsweg eröffnet.
Durch Beschluss vom 25.04.2012 hat das Landgericht den bestrittenen Rechtsweg als zulässig erachtet. Nach Auffassung des Landgerichts besteht eine ausschließliche Zuständigkeit der großen Strafkammer des Landgerichts Lübeck nicht. Eine solche ergebe sich zunächst nicht aus §§ 441 Abs. 1,442,439 StPO. Der zum Nachverfahren Berechtigte könne wählen, ob er auf diesem Weg den Verfall durch das Strafgericht beseitigen lasse oder seine Rechte gegenüber dem Fiskus vor einem Zivilgericht geltend mache. Weiterhin hat das Landgericht die Auffassung vertreten, dass eine Zuständigkeit sich auch nicht aus § 111f. Abs. 5 StPO ergebe. Die Vorschrift sei tatbestandlich nicht einschlägig. Anders als etwa eine Pfändung sei die Anordnung des Verfalls selbst kein Vollzugsakt, sondern stelle eine sich erst an die Vollziehung einer Beschlagnahme oder eines Arrestes anschließende Entscheidung dar.
Das beklagte Land hat gegen diese Entscheidung form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit dem am 01.01.2007 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24.10.2006 entschieden habe, dass alle Einwendungen gegen Maßnahmen in Vollziehung einer Beschlagnahme oder eines Arrestes (nunmehr) ausschließlich im strafprozessualen Rechtsweg zu erledigen seien. Nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers solle auch nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig sein. Das Gericht müsse deshalb zumindest in entsprechender Anwendung ausschließlich über die Anordnung des Verfalls im Sinne der §§ 73, 73a StGB zuständig sein. § 439 StPO eröffne dem Kläger die Möglichkeit, den behaupteten materiell-rechtlichen Anspruch im Nachverfahren vor dem Gericht des ersten Rechtszuges nach § 441 StPO geltend zu machen. Seit in Kraft treten des Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung dürfe es sich hierbei um eine ausschließliche Zuständigkeit handeln.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes besteht aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vor dem 24.10.2006 keine ausschließliche Zuständigkeit der Strafgerichtsbarkeit gem. §§ 439, 441 StPO für Fälle, in denen der Verfall im Sinne der §§ 73, 73a StPO angeordnet wurde. Nach der Begründung zum Gesetzesentwurf (Bundestagsdrucksache 16/700, Seite 8) zielt dieser darauf ab, die Rückgewinnungshilfe und die Vermögensabschöpfung bei möglichst geringem Aufwand für die Praxis im Interesse des Opferschutzes und einer effektiven Strafrechtspflege durch die avisierten Änderungen oder Ergänzungen des geltenden Prozessrechts zu verbessern. Die weiteren Ausführungen zur Begründung des Gesetzesentwurfs sowie der Schwer...