Entscheidungsstichwort (Thema)
Einseitige Erledigungserklärung im selbständigen Beweisverfahren
Leitsatz (amtlich)
Eine einseitige Erledigungserklärung in einem selbständigen Beweisverfahren ist nicht als Antragsrücknahme zu werten, wenn sie jedenfalls teilweise aufgrund sachlicher Zwänge (hier Baufortschritt und Renovierungszwang) und nicht ausschließlich aus freien Stücken erfolgt ist. (Abgrenzung zu BGH BauR 2005, 133; vgl. OLG Oldenburg MDR 1998, 242)
Normenkette
ZPO § 269 Abs. 3, § 494a Abs. 2
Verfahrensgang
LG Flensburg (Beschluss vom 14.01.2009; Aktenzeichen 2 OH 8/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 3.2.2009 wird der Beschluss der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Flensburg vom 14.1.2009, durch den der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt worden sind, aufgehoben.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens gegen die Antragsgegnerin zur Feststellung von behaupteten Mängeln an ihrem Wohn- und Geschäftshaus durch die Gründungs- und Bauarbeiten auf dem der Antragsgegnerin gehörenden Nachbargrundstück beantragt. Im Laufe des Verfahrens hat die Antragstellerin im Hinblick auf das vorangeschrittene Bauvorhaben der Antragsgegnerin im Wesentlichen mit Schriftsatz vom 5.8.2005 (Bl. 127 f.) ihre Beweisfragen umgestellt und ergänzt. Mit Beschlüssen vom 10.12.2005 (Bl. 174) und 5.9.2006 (Bl. 204) hat das LG die beantragte Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet. Der insoweit beauftragte Sachverständige S hat sein Gutachten indes, weil die Antragstellerin Terminsvorschläge für einen weiteren Ortstermin nicht gemacht habe, nicht erstattet.
Mit Schreiben vom 25.10.2007 (Bl. 209) hat die Antragstellerin auf eine gerichtliche Sachstandsanfrage mitgeteilt, dass sich die Fortsetzung des Beweisverfahrens möglicherweise erübrigen werde, weil - abgesehen von der Gründungsfrage - die meisten der von dem Bauvorhaben der Antragsgegnerin herrührenden Schäden inzwischen behoben oder schwerlich noch feststellbar seien. Mit Schriftsätzen vom 8.8.2008 (Bl. 216) und 5.9.2008 (Bl. 220) hat die Antragstellerin zunächst ohne die Gründungsthematik und sodann insgesamt das Verfahren für erledigt erklärt. Die Beschädigungen des Hauses am Mauerwerk und der Dacheindeckung hätten vor langer Zeit behoben werden müssen. Die Bewohnbarkeit der vermieteten Wohnungen und die Nutzbarkeit der vermieteten Gewerbeflächen hätten nach diesen Sanierungsmaßnahmen verlangt. Von den früheren Schäden sei nichts mehr zu sehen, jedenfalls nicht ohne Zerstörung der vorhandenen Sanierungssubstanz. Was die Gründung anbelange, hätten anderweitige Ermittlungen der Antragstellerin ergeben, dass wegen der Abhilfemaßnahmen der Antragsgegnerin keinerlei Beeinträchtigung der Standfestigkeit des Hauses durch die Baumaßnahmen der Antragsgegnerin mehr festzustellen sei und entsprechende Gründungsprobleme als Konsequenz der Nachbarbebauung auch nicht mehr zu besorgen seien.
Weiter hat die Antragstellerin mit Schriftsätzen vom 5.9.2008 (Bl. 221) und 6.11.2008 (Bl. 232) auf jegliche Ansprüche gegen die Antragsgegnerin aus Anlass des Neubauvorhabens verzichtet.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 6.11.2008 (Bl. 233) in erster Linie beantragt, der Antragstellerin gem. § 269 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 ZPO die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Hilfsweise hat sie beantragt, der Antragstellerin gem. § 494a Abs. 1 ZPO eine Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage zu setzen.
Das LG hat durch den angefochtenen Beschluss der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt.
II. Die in entsprechender Anwendung der §§ 269 Abs. 5, 494a Abs. 2 S. 2
ZPO statthafte und auch im Übrigen gem. den §§ 567 f. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat auch Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung des LG ist § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
Die Antragstellerin hat mit ihren schriftsätzlichen Erklärungen vom 8.8.2008 und 5.9.2008 ihre Anträge nicht etwa zurückgenommen, sondern ausdrücklich das Beweisverfahren für erledigt erklärt. Eine Auslegung ihrer Erledigungserklärung dahingehend, dass sie damit ihren Antrag habe zurücknehmen wollen, ist gegen dem ausdrücklich erklärten Wortlaut der Prozesserklärung nicht möglich, zumal die Klägerin auch noch mit Schriftsatz vom 6.11.2008 (Bl. 232) ausdrücklich klargestellt hat, dass ihre Erledigungserklärung keinesfalls als Antragsrücknahme aufzufassen sei.
Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles ist die einseitige Erledigungserklärung der Antragstellerin auch nicht aus Rechtsgründen wie eine Antragsrücknahme zu werten. Nach der Rechtsprechung des BGH kann zwar eine - einseitig gebliebene - Erledigungserklärung im selbständigen Beweisverfahren als Antragsrücknahme gewertet werden, wenn mit dieser Erklärung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, dass eine Beweiserhebung durch das Gericht endgültig nicht mehr gewünscht ...