n.rkr.
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der behördlichen Mitteilung im Rahmen eines Auswahlverfahrens um eine ausgeschriebene Notarstelle an einen der Mitbewerber, seine Bestellung zum Notar sei in Aussicht genommen, handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt.
2. Das Ermessen der Justizverwaltung, von der vollständigen Erfüllung der Regelwartezeit aus § 6 Abs. 2 Ziff. 1 BNotO abzusehen, ist auch unter Berücksichtigung der Diskriminierungsverbote aus Art. 3 Abs. 3 und 6 Abs. 1 GG nicht eröffnet, wenn eine Bewerberin mit Rücksicht auf die Belange der von ihr betreuten Kinder erst verzögert in die Berufstätigkeit als Rechtsanwältin zurückgekehrt ist und deshalb die Regelwartezeit zum Stichtag nicht vollständig erfüllt hat.
Orientierungssatz
Kinderbetreuungszeiten erlauben bei der Notarbestellung kein Absehen von der Regelwartezeit aus § 6 Absatz 2 Ziffer 1 BNotO
Normenkette
GG Art. 3, 6; BNotO § 6 Abs. 2-3; AVNot Schl.-H. §§ 5-6
Tatbestand
Sachverhalt:
Der Antragsgegner schrieb drei Notarstellen im Bezirk des Amtsgerichts X. aus. Um diese drei Stellen bewarben sich fünf Rechtsanwälte, darunter der Antragsteller und die weitere Beteiligte. Der Antragsgegner ermittelte für den Antragsteller 70,95 Punkte und für die anderen Bewerber 117,70 Punkte, 75,20 Punkte sowie 68,00 Punkte. Für die weitere Beteiligte wurden 76,70 Punkte ermittelt, zugleich aber wurde aber festgestellt, daß diese die Regelwartezeit nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 BNotO nicht erfüllt habe. Tatsächlich war die weitere Beteiligte zu diesem Zeitpunkt erst 4 Jahre, 10 Monate und 20 Tage zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die weitere Beteiligte hatte schon in ihrem Antrag mitgeteilt, sie habe im Dezember 1987 ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Schwangerschaft zurückgegeben. 1988 und 1993 seien ihre Kinder geboren worden, die sie von Geburt an betreut habe, seit 1994 alleinerziehend. Eine Tätigkeit als Rechtsanwältin habe sie erst Mitte 1995 wieder aufnehmen können. Zuvor sei ihr dies wegen mangelnder Betreuungsmöglichkeit für ihre Kinder nicht möglich gewesen.
Der Antragsgegner hat zwischenzeitlich mit Urkunde vom 23. Juni 2000 die beiden Rechtsanwälte zum Notar bestellt, für die 117,70 bzw. 75,20 Punkte ermittelt worden waren. Die dritte Notarstelle ist noch nicht besetzt.
Mit Erlaß vom 3. Mai 2000 teilte der Antragsgegner der weiteren Beteiligten mit, ihrer Bewerbung um eine der drei ausgeschriebenen Notarstellen könne nicht entsprochen werden. Sie habe die Mindestzeit nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 BNotO nicht erfüllt. Eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf diese Regelwartezeit könne aus Rechtsgründen nicht erfolgen. Mit Erlaß vom gleichen Tage teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, daß seine Bestellung zum Notar in Aussicht genommen sei. Er – der Antragsgegner – habe den Bewerbern, die bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stellen nicht berücksichtigt werden sollten, einen rechtsmittelfähigen Bescheid zugestellt. Vor weiteren Schritten würde zunächst die Rechtsmittelfrist abgewartet.
In den folgenden Tagen kündigte die weitere Beteiligte gegenüber dem Antragsgegner an, sie sähe sich gezwungen, fristwahrend einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid vom 3. Mai 2000 zu stellen, falls dieser nicht vor Eintritt der Bestandskraft aufgehoben werde. Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller und der weiteren Beteiligten daraufhin mit, er habe den Erlaß vom 3. Mai 2000, mit dem die Bewerbung der weiteren Beteiligten um die Notarstelle abgelehnt worden sei, aufgehoben und sei in eine erneute Prüfung der Bewerbung eingetreten.
Mit Erlaß vom 23. Oktober 2000 lehnte der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers auf Bestellung zum Notar ab. Zugleich hob er den Erlaß vom 3. Mai 2000, mit dem dem Antragsteller in Aussicht gestellt war, ihn zum Notar zu ernennen, auf. Zur Begründung führte der Antragsgegner an, der Antragsteller stehe in Bezug auf die dritte noch freie Notarstelle in Konkurrenz mit der weiteren Beteiligten, wobei das Gesetz hier ein Auswahlverfahren nach § 6 Abs. 3 BNotO i. V.m. den §§ 6 ff der AVNot vorsehe. Die weitere Beteiligte habe in Anwendung dieser Vorschriften einen höherenPunktwert erreicht. Allerdings erfülle sie die Zugangsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 BNotO nicht ganz, weil sie zum Ablauf des Zeitpunkts der Bewerbungsfrist lediglich 4 Jahre, 10 Monate und 20 Tage zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sei. Die Vorschrift ziehe aber hinsichtlich der genannten Frist keine absolute Grenze, sondern lasse in Ausnahmefällen auch eine Unterschreitung vor. Bei der hiernach vorzunehmenden Ermessensausübung gehe es nun nicht um die Frage, ob zugunsten der weiteren Beteiligten Kindererziehungszeiten anzurechnen seien. Zu entscheiden sei vielmehr, ob wegen der Gründe, die zur Fristunterschreitung geführt hätten, ein Ausnahmetatbestand im Sinne von § 6 Abs. 2 BNotO anzuerkennen sei. Diese Rechtsfrage sei zu bejahen. Denn die Rechtsanwältin erfülle die Jahresfrist nur deshalb nicht, weil sie ihrem an ihrem früheren W...