Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsveränderung in Querrichtung von lediglich 3 bis 5 km/h und einer entsprechenden Fahrgastzellenbeschleunigung von max. 1,5 g ist es mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu einer unfallbedingten LWS- Distorsion gekommen.
Leitsatz (amtlich)
1. Im Fall einer Sachbeschädigung der für die Wiederherstellung "erforderliche Geldbetrag" zu zahlen. Ist streitig, ob der Geschädigte die im Prozess eingereichte Reparaturkostenrechnung vollständig bezahlt hat, obliegt ihm der einsprechende Zahlungsnachweis.
2. Hat die Beklagte (gegnerische Haftpflichtversicherung) durch einen sachkundigen "Prüfbericht" substantiiert dargelegt, weshalb bestimmte Schadenpositionen in einem privaten Sachverständigengutachten nicht erforderlich und deshalb unbegründet sind, ist der beweispflichtige Kläger gehalten, die Einwendungen der Beklagten bereits im ersten Rechtszug zu entkräften
3. Die Hinweispflicht des Gerichts beschränkt sich darauf, auf Bedenken zur Schlüssigkeit hinzuweisen. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichts, die Klage schlüssig zu machen. Hat der Gegner bereits Bedenken geäußert, entfällt - im Anwaltsprozess - die korrespondierende Hinweispflicht.
4. Bei einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsveränderung in Querrichtung von lediglich 3 bis 5 km/h und einer entsprechenden Fahrgastzellenbeschleunigung von max. 1,5 g ist es mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu einer unfallbedingten LWS- Distorsion gekommen.
Normenkette
BGB § 249 ff., §§ 252-253; StVG §§ 7, 17; ZPO §§ 139, 529, 531 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Lübeck (Aktenzeichen 5 O 25/23) |
Tenor
I. Der Kläger wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung gegen das angefochtene Urteil offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.
III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug auf bis zu 9.000,- EUR festzusetzen (6.357,87 EUR + 1.850,- EUR Schmerzensgeld + 500,- EUR Feststellung).
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 02.09.2020 auf der Bundesstraße 207 an der Kreuzung L.-B. ereignet hat. Der Kläger befuhr die B 207 von L. kommend in Richtung R., der Beklagte zu 1) befuhr mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten PKW die B 207 in entgegengesetzter Richtung. An der Kreuzung L.-B. zeigte die Ampel für den Kläger grün, für den Beklagten, der nach links abbiegen wollte, rot. Der Beklagte bog dennoch nach links ab und touchierte dabei die linke Seite des Pkw des Klägers. Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.
An dem Pkw des Klägers, einem Peugeot Diesel 3008 (EZ 15.02.2018), entstand nicht unerheblicher Sachschaden, den der Kläger in der Werkstatt "A.- GmbH" für brutto 6.876,44 EUR (Rechnung vom 30.9.2020) reparieren ließ. Zuvor hatte der Kläger das Sachverständigenbüro S. GmbH in S. mit der Schadensschätzung beauftragt (Gutachten vom 3.9.2020). Es ist streitig, ob der Kläger inzwischen die vollständigen Reparaturkosten bezahlt hat. Die Beklagte zu 2) hatte bereits vorgerichtlich mit Ausnahme der folgenden Positionen den Sachschaden reguliert:
1. Reparaturkosten Pkw:
Auf geltend gemachte 6.876,44 EUR zahlte die Beklagte nur 6.486,91 EUR (verbleibende Differenz 389,53 EUR; Abzüge von jeweils netto 25,88 EUR für Arbeitslohn, 25,21 EUR für Verbringungskosten und 284,75 EUR für Lackierung).
2. Wertminderung
Auf eine geltend gemachte Wertminderung von 650 EUR zahlte die Beklagte nur 500 EUR (verbleibende Differenz 150,- EUR)
3. Mietwagenkosten
Auf Mietwagenkosten, die in Höhe von 1.531,15 EUR geltend gemacht wurden, zahlte die Beklagte lediglich 658,88 EUR (verbleibende Differenz 872,27 EUR).
Der Kläger macht ferner einen Personenschaden geltend: Verdienstausfall 4.708,01 EUR, Heilbehandlungskosten 237,86 EUR und Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 1.850,- EUR.
Dazu hat er behauptet, er habe unfallbedingt eine Distorsion der Lendenwirbelsäule erlitten. Vor dem Unfall sei bei ihm zwar tatsächlich eine Dekompressionsoperation durchgeführt worden, er habe jedoch bis dahin keinerlei Beschwerden mehr im Rückenbereich gehabt. Er sei in der Zeit vom 11.09.2020 bis zum 04.12.2020 krankgeschrieben gewesen. Es seien Heilbehandlungskosten in Höhe von 237,86 EUR angefallen (Infiltrationsanästhesie, Lumbalanästhesie im Rahmen einer am 10.11.2020 gefertigten Computertomographie). Der Kläg...