Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgsaussicht im Umgangsrechtsstreit
Normenkette
FamFG § 76 Abs. 1; ZPO § 114
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters wird der die Verfahrenskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - S. vom 9. Mai 2018 (Az. ...) abgeändert.
Dem Kindesvater wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt A. bewilligt.
Gründe
Die nach den §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde des Kindesvaters gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe hat in der Sache Erfolg.
1. Nach der im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat die Rechtsverfolgung der Antragstellerin hinreichende Aussicht auf Erfolg, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO.
In Verfahren gemäß § 1684 BGB besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht schon dann, wenn das Familiengericht auf Grund des eingeleiteten Verfahrens den Sachverhalt zu ermitteln hat und ggf. eine Regelung treffen muss und sich nicht darauf beschränken kann, den Antrag ohne Weiteres, also ohne jede Ermittlung und ohne jede Anhörung der Beteiligten, zurückzuweisen (OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 1528; vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2011, 1160). Es ist ausreichend, dass überhaupt eine Regelung zugunsten des Antragstellers mit einiger Wahrscheinlichkeit in Betracht kommt, also ein konkretes Regelungsbedürfnis besteht und der Antrag geeignet ist, die rechtliche und tatsächliche Lage des Antragstellers zu verbessern (OLG Karlsruhe FamRZ 2016, 250). Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich (OLG Karlsruhe FamRZ 2016, 250).
Beachtet werden muss auch hier der Umstand, dass das Familiengericht den Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen (§ 26 FamFG) zu ermitteln hat (vgl. BGH FamRZ 2016, 1058). Die fehlende Erfolgsaussicht einer beantragten Umgangsregelung kann die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe nicht rechtfertigen (OLG Brandenburg FamRZ 2017, 310; OLG Nürnberg FamRZ 2016, 251).
2. Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes ist dem Kindesvater Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.
Bisher liegt keine gerichtliche Entscheidung zu einem vorübergehenden oder dauerhaften Ausschluss des Umgangsrechts vor. Aus dem Vergleich vom 17. Februar 2015 lässt sich dies jedenfalls nicht entnehmen. Dem Kindesvater steht ein Anspruch auf Regelung seines Umgangsrechts zu (vgl. BGH FamRZ 2016, 1058 Rn. 17). Hinzu kommt, dass der Kindesvater durch die vom Familiengericht zu treffende Entscheidung Gewissheit darüber erlangen kann, in welcher Weise er sein Recht tatsächlich wahrnehmen darf bzw. in welchem zeitlichen Abstand er einen neuen Antrag auf gerichtliche Regelung zu stellen berechtigt ist (vgl. OLG Nürnberg MDR 2001, 875).
Für die Entscheidung über die Ausgestaltung des Umgangsrechts kommt es als solches nicht entscheidend darauf an, ob und mit welchem Erfolg der Kindesvater sich in eine fachpsychiatrische Behandlung begeben hat. Denn der Kindesvater kann sich auch durch die Zustimmung zu "Bedingungen" für sein Umgangsrecht nicht seiner Ansprüche aus § 1684 BGB begeben.
Maßgebend ist vielmehr, ob gemäß § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB bei der Durchführung von Umgangskontakten sich für das Kind eine erhebliche, konkrete und nachhaltige Kindeswohlgefährdung (Maßstab § 1666 BGB) ergibt. Eine Gefährdung des Kindeswohls kann sich daraus ergeben, dass bei der Anordnung und gegebenenfalls erforderlichen Durchsetzung des Umgangsrechts des Kindesvaters ein nachhaltiger und stabiler Kindeswille missachtet werden müsste.
Ein wesentlicher Aspekt bei der Prüfung des Kindeswohls (§ 1697a BGB) ist der Kindeswille (BVerfG FamRZ 2015, 1093; BVerfG FamRZ 2013, 361; BVerfG FamRZ 2007, 1078). Der Wille des Kindes ist Ausdruck seiner Selbstbestimmung und ein Bindungsindiz, wobei die Bindung und der tatsächlich geäußerte Wille nicht übereinstimmen müssen (Staudinger/Rauscher, BGB - Neubearbeitung 2014, § 1684 Rn. 286). Das Persönlichkeitsrecht des Kindes erfordert es, seine Wünsche und Interessen bei der Umgangsregelung zu berücksichtigen (BVerfG FamRZ 2015, 1093; BVerfG FamRZ 2008, 1737; OLG Saarbrücken NJW - RR 2011, 436). Mit zunehmendem Alter kommt dem geäußerten Willen des Kindes immer stärkere Bedeutung zu, wobei ab einem Alter von 11 - 13 Jahren kaum noch die Anordnung eines Umgangs gegen den gefestigten Willen in Betracht kommt (BVerfG FamRZ 2015, 1093; Staudinger/Rauscher, BGB - Neubearbeitung 2014, § 1684 Rn. 295; vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2015, 1727). Allerdings kommt dem Willen des Kindes kein absoluter Vorrang zu (OLG Brandenburg FamRZ 2007, 577). Vielmehr ist dieser gegen die Interessen des Umgangsberechtigten abzuwägen. Typischerweise ergibt sich die Kindeswohlgefährdung bei der Anordnung und Durchsetzung von Umgangskontakt gegen einen nachhaltigen und gefestigten Willen des Kindes daraus, dass das Kind ein Übergehen seiner Willensäußerung als Kontrollverlust bezüglich seiner Person erleben und es seine Selbstwirksamkeitsüberzeugung verlieren w...