Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammenrechnung von Streitwerten nur bei gleichzeitiger Geltendmachung von Streitgegenständen
Leitsatz (amtlich)
Auch für die Bestimmung des Gebührenstreitwertes sind die Streitwerte mehrerer Streitgegenstände nur dann zusammen zu rechnen, wenn diese nebeneinander geltend gemacht werden. Die Auswechselung von Streitgegenständen führt nicht zur Zusammenrechnung des alten und des neuen Streitgegenstandes.
Normenkette
ZPO § 5; GKG § 39
Verfahrensgang
LG Kiel (Beschluss vom 16.12.2011; Aktenzeichen 12 O 368/08) |
Tenor
Auf die Streitwertbeschwerde der Beklagten wird der Streitwertbeschluss der 12. Zivilkammer des LG Kiel vom 16.12.2011 wie folgt abgeändert:
Der Streitwert wird auf 21.497,85 EUR festgesetzt.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe
Die gem. § 68 Abs. 1 GKG statthaft und zulässig angebrachte Beschwerde - über welche der Senat gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG mit § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG in voller Besetzung zu entscheiden hat - hat in der Sache Erfolg. Anstelle des auf 38.297,85 EUR festgesetzten Streitwertes war der Streitwert auf einen Betrag von 21.497,85 EUR herabzusetzen, wobei 3.937,47 EUR auf die Klage und 17.560,38 EUR auf die Widerklage entfallen, welche Beträge gem. § 39 Abs. 1 GKG zusammen zurechnen sind.
Hierbei kann offen bleiben, ob - wofür vieles spricht - die Beklagte mit der Verfolgung ihres Widerklagebegehrens tatsächlich im Verlaufe des Rechtsstreits den Streitgegenstand dahin ausgewechselt hat, dass sie zunächst Ansprüche wegen der Nichtstellung eines Antrags für die Gewährung einer Investitionskostenpauschale für die Jahre 2005/2006 geltend gemacht hat und später für die Jahre 2006/2007 und es sich hierbei nicht allein um eine Klarstellung ihres Vorbringens handelt. Denn selbst wenn von einer Auswechslung der Streitgegenstände ausgegangen werden müsste, könnten diese nicht - wie die Kammer gemeint hat - gem. § 39 Abs. 1 GKG zusammengerechnet werden.
§ 39 Abs. 1 GKG muss nämlich über seinen Wortlaut hinaus dahin ausgelegt werden, dass die zusammenzurechnenden Streitgegenstände nicht allein nacheinander in das Verfahren eingeführt, sondern nebeneinander geltend gemacht werden, was vorliegend aber nicht der Fall ist. Zwar ist zuzugeben, dass dieses Erfordernis eben noch nicht der für den Gebührenstreitwert geltenden Vorschrift des § 39 GKG selbst entnommen werden kann, während für den Zuständigkeitsstreitwert § 5 ZPO eindeutig auf "mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche" abstellt. Auch wird in der Kommentarliteratur (vgl. die vom LG in Bezug genommene Kommentarstelle bei Schneider/Herget -Kurpat, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rz. 3329 ff. sowie Zöller/Herget 29. Aufl., Rz. 3 zu § 5 ZPO; a.A. aber Meyer, 11. Aufl., Rz. 1 zu § 39 GKG) und vereinzelt auch in der Rechtsprechung (OLG Celle, Beschl. v. 20.5.2008 - 2 W 108/08, OLGR 2008, 630 ff. sowie bei Juris) eine Addition wirtschaftlich nicht identischer Streitgegenstände selbst bei nacheinander erfolgender Geltendmachung befürwortet. Dem gegenüber ist nach Auffassung des Senats mit der Mehrzahl der OLG (zuletzt OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.8.2010 - I - 24 W 9/10 -, AGS 2011, 86 ff.; auch bei Juris; OLG Frankfurt NJW-RR 2009, 1078f sowie OLG Dresden JurBüro 2007, 315, 316) schon davon auszugehen, dass mit der Einfügung des § 39 Abs. 1 GKG durch das Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004 (BGBl. I, 718) in das Gebührenrecht im Verhältnis zur Fassung des § 5 ZPO keine sachliche Änderung des Gebührenrechts beabsichtigt worden ist. Dem Gesetzgeber ging es nämlich nur darum, den in § 5 ZPO verankerten Grundsatz - welcher zuvor über § 12 Abs. 1 GKG a.F. unmittelbar nur für den Gebührenstreitwert in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familien- und Lebenspartnerschaftssachen galt - gebührenrechtlich in einer für alle Gerichtsbarkeiten gleichermaßen geltenden Weise zu verankern (vgl. Gesetzesentwurf, Einzelbegründung zu § 39 GKG, BT-Drs- 15/1971, S. 154).
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das für die Gebührenwertbemessung maßgebliche sachliche Interesse der Parteien bei Auswechslung des Streitgegenstandes eben nicht auf eine Doppelbescheidung gerichtet ist, sondern lediglich auf eine einmalige und alleinige Bescheidung des neuen Streitgegenstandes. Dass es aber auf das Interesse der Parteien als Bemessungsmaßstab ankommen muss und nicht - was denkbar wäre und für eine Addition sprechen könnte - auf den tatsächlichen Aufwand der Justiz, verdeutlicht § 40 GKG, nach welcher Vorschrift auch für den Zeitpunkt der Wertberechnung allein auf den Zeitpunkt der Antragstellung durch die Parteien abzustellen ist. Allein für den Fall eines Eventualzusammenhangs zweier Gegenstände trifft § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG eine Sonderregelung, die unter bestimmten Voraussetzungen zur Addition nicht parallel geltend gemachter Streitgegenstände führt. Ungeachtet dessen zeigt die vom LG zitierte Stelle in der Kommentarliteratur deutlich genug, dass es b...