Normenkette
BGB § 1643 Abs. 1, § 1822 Nr. 3
Verfahrensgang
AG Elmshorn (Beschluss vom 18.04.2017; Aktenzeichen 4 F 38/17) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 24. April 2017 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Elmshorn vom 18. April 2017 aufgehoben.
II. Der Antragstellerin wird bestätigt, dass der von ihr am 16. März 2017 vor der Notarin Dr. E. V1 in H1 geschlossene Geschäftsanteilskauf- und -übertragungsvertrag betreffend die Übertragung des GmbH-Geschäftsanteils der Erbengemeinschaft nach dem am 15. November 2014 verstorbenen N P B1, bestehend aus der Ehefrau des Erblasser, der Antragstellerin, sowie den Söhnen T E B1, geboren am 04. Juni 2004, und P J P B1, geboren am 05. Juni 2008 (URNr. 465/2...), nicht der familiengerichtlichen Genehmigung gem. §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 3 BGB bedarf.
III. Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.
IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Am 15. November 2014 ist Herr N P B1, der Ehemann der Antragstellerin und der Vater von T E, geboren am 04. Juni 2004, und P J P, geboren am 05. Juni 2008, verstorben. Der Erblasser wurde von seinen minderjährigen Söhnen und seiner Ehefrau beerbt. Die Kinder wurde Miterben zu je 1/4 an einem Geschäftsanteil von nominal 12.800,00 EUR an der B1 & Söhne GmbH mit Sitz in T1. Mitgesellschafter ist Herr Jörn B1, der ebenfalls einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 12.800,00 EUR. hält. Mit notariellem Vertrag vom 16. März 2017 veräußerte die Mutter der Kinder, die Antragstellerin, handelnd für sich persönlich im eigenen Namen und als gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Kinder, den Anteil der Miterbengemeinschaft zum Preis von insgesamt 942.000,00 EUR (Barkaufpreis 1 750.000,00 EUR, Barkaufpreis 2 über 120.000,00 EUR und Barkaufpreis 3 über 72.000,00 EUR) an den Mitgesellschafter Jörn B1 (notarieller Geschäftsanteilskauf- und -übertragungsvertrag vom 16. März 2017 der Notarin Dr. E. V1 aus H1, URNr. 465/1.).
Das Amtsgericht - Familiengericht - Elmshorn hat durch den zuständigen Rechtspfleger die Erteilung eines Negativattestes mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt, im Wesentlichen mit der Begründung, dass es keinen Hinweis darauf gebe, dass es sich bei dem Anteil des verstorbenen Vaters lediglich um eine reine Kapitalbeteiligung an der GmbH handele. Vielmehr müsse der auf die Erbengemeinschaft übergegangene Anteil an der GmbH als Beteiligung an dem von der GmbH betriebenen Erwerbsgeschäfts angesehen werden, mit der Folge, dass das Veräußerungsgeschäft der familiengerichtlichen Genehmigung bedürfte.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag ihren Antrag auf Erteilung eines Negativattestes weiter verfolgt.
II. Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - Familiengericht - bedarf der notarieller Geschäftsanteilskauf- und -übertragungsvertrag vom 16. März 2017 nicht der vormundschaftlichen Genehmigung.
Nach § 1643 Abs. 1 in Verbindung mit § 1822 Nr. 3 BGB ist die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich für Verträge, die auf den entgeltlichen Erwerb oder die Veräußerung eines Erwerbsgeschäftes gerichtet sind.
Nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur stehen Veräußerung und Erwerb eines erheblichen Geschäftsanteils an einer nicht lediglich vermögensverwaltenden GmbH der Veräußerung bzw. dem Erwerb eines Erwerbsgeschäfts gleich, wenn sich die Beteiligung des Minderjährigen nach den konkreten Umständen, insbesondere nach Struktur und Art der GmbH und dem Grad der Beteiligung des Minderjährigen, wirtschaftlich nicht als reine Kapitalinvestition, sondern als Beteiligung an dem von der GmbH betriebenen Erwerbsgeschäft darstellt, wenn also den Minderjährigen ein Unternehmensrisiko trifft (KG NJW 1976, 1946; OLG Hamm DNotZ 1985, 165; OLG München FamRZ 2003, 392; MünchKomm BGB/Kroll-Ludwigs, 7. Aufl., § 1822 Rn. 17; Staudinger/Veit BGB, 14. Bearb., § 1822 Rn. 60/61). Der Bundesgerichtshof hat diese Auffassung mit Urteil vom 28. Januar 2003, Az.: X ZR 199/99 (DNotZ 2004, 152-155), bestätigt und hierzu ausgeführt:
"Zwar ist der Kreis der nach § 1822 BGB genehmigungspflichtigen Geschäfte um der Rechtssicherheit willen formal und nicht nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen [.]. Dies steht der Berücksichtigung wirtschaftlicher Zusammenhänge aber dann nicht entgegen, wenn es um typische Sachverhalte geht. Zweck des § 1822 BGB ist es, den Minderjährigen vor potenziell nachteiligen Geschäften zu schützen [.]. Die Veräußerung einer Mehrheitsbeteiligung an einer GmbH kann für den Minderjährigen ebenso gefährlich sein wie die Veräußerung eines einzelkaufmännisch geführten Geschäfts oder einer Beteiligung an einer OHG. Dem berechtigten Bedürfnis nach Rechtssicherheit ist hinreichend Genüg...