Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswegzuständigkeit bei unzulässiger Werbung im Kundenmagazin einer Betriebskrankenkasse
Leitsatz (amtlich)
Bei der Abgrenzung der Rechtswegzuständigkeiten nach § 13 GVG einerseits und §§ 51 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 2 SGG andererseits ist der Begriff der "Angelegenheiten der Krankenkassen" weit auszulegen. Im Zweifelsfall haben die Sozialgerichte zu entscheiden.
Normenkette
GVG § 13; SGG § 51; SGB V § 69
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten, ob für die vom Kläger verfolgte Unterlassungsklage der Rechtsweg zu den ordentlichen oder zu den Sozialgerichten gegeben ist.
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung der gewerblichen Interessen, insb. zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen zum Handel mit Kontaktlinsen und deren Zubehör.
Der Kläger beanstandet eine Werbeanzeige der Beklagten im Kundenmagazin der X. Betriebskrankenkasse (künftig: BKK). Die großformatige Anzeige auf der Rückseite der Ausgabe Dezember 2004 des Magazins enthielt die Überschrift:
"Zwei starke Partner für Sie: X. BKK und Y.". Geworben wurde für ein "Einsteige-Komplett-Set", bestehend aus 2 × 6 verträglichen, weichen Monatslinsen, Pflegemitteln und einer Aufbewahrtasche.
Farblich abgesetzt heißt es weiter:
"Nur für BKK-Mitglieder" und sodann in Normaldruck:
"Den speziellen Sonderpreis-Shop mit dem Einsteiger-Komplett-Set und weiteren günstigen Angeboten rund um das Thema Kontaktlinsen finden Sie über die News auf der X. BKK Homepage. Einfach einloggen, auf den Y.-Shop klicken und das Sparen kann beginnen."
Bei dem Set-Preis von 44,90 EUR ist angegeben, die Ersparnis ggü. der Summe der Einzelpreise betrage 21,89 EUR.
Auf der Internet-Seite der BKK ist unter "Aktuelle Neuigkeiten" das Stichwort "Kontaktlinsen & Co. zu Vorzugspreisen" mit Hinweis auf die Beklagte eingestellt. Bei Aufruf erscheint eine Erläuterung, in der es heißt, der Versandhandel der Beklagten sei als Medizinprodukterhersteller zertifiziert. Die Internet-Benutzer werden aufgefordert, das Angebot der Beklagten zu Vorzugspreisen sich anzuschauen. Weiter heißt es:
"In unserer Online-Geschäftsstelle finden Sie noch mehr Informationen über Y. und Sie können hier schnell und unkompliziert bestellen."
Von der Internet-Seite der BKK führt ein direkter Link auf die Internet-Seite der Beklagten.
Der Kläger sieht in der Werbung der Beklagten einen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) und hält sich gem. §§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlass für klagebefugt.
Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten gerügt.
Sie ist der Ansicht: Es handele sich um eine Streitigkeit, die den Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen sei, sodass gem. §§ 51 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 2 SGG i.V.m. § 69 SGB V der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sei. Die beanstandete Werbung werde nämlich durch eine gesetzliche Krankenkasse verbreitet, welche damit zugunsten ihrer eigenen Leistungsfähigkeit ggü. ihren Versicherten mit der Leistungsfähigkeit einer Leistungserbringerin i. S. von §§ 69 ff. SGB V werbe und damit nicht nur den von der Beklagten gewährten Preisvorteil mitteile, sondern auch ihre eigene Leistungsfähigkeit unter Beweis stelle. Sie regele damit auch ihre eigenen Erstattungsbeträge. Sie könne diese Leistung nicht erbringen, wenn der Beklagten die Erbringung der Leistung untersagt werde.
Demgegenüber meint die Klägerin: §§ 51 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 2 SGG seien nicht einschlägig. Es gehe nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beklagte sei keine Leistungserbringerin i.S.v. § 69 SGB V. Die von der Beklagten angebotenen Kontaktlinsen nebst Pflegemitteln gehörten nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Auf Kontaktlinsen bestehe nur in zwingend erforderlichen Ausnahmen ein Anspruch, § 33 Abs. 3 SGB V. Bei den beworbenen Produkten der Beklagten handele es sich um Standardsehhilfen, die der Verbraucher ohne Inanspruchnahme seines Optikers oder Augenarztes selbst erwerbe. Deshalb spiele es auch keine Rolle, wenn die Beklagte für einzelne Produkte eine Zulassung als Leistungserbringerin haben sollte. Bei einem Vertrag der Beklagten mit der X. Betriebskrankenkasse handele es sich mithin nicht um einen Vertrag zur Erbringung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern um einen Vertrag über Zusatzleistungen, die nur die BKK für ihre Mitglieder erbringen wolle. Das aber sei keine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung.
Das LG hat den Rechtsweg zu den Zivilgerichten durch den angefochtenen Beschluss für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht verwiesen.
Das LG hat die Beklagte als sonstige Leistungserbringerin i.S.v. § 69 SGB V und die Klägerin als Dritte i.S....