Verfahrensgang

AG Kiel (Aktenzeichen 1 VI 1196/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der unter dem 23.09.2020 unterschriebene und spätestens am 28.09.2023 erlassene Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Kiel (Az. 1 VI 1196/16) abgeändert. Das Amtsgericht wird angewiesen,

  • den Teilerbschein vom 09.12.2016 einzuziehen
  • der Beschwerdeführerin einen Erbschein zu erteilen, der sie als Erbin zu 3/4 und die Beteiligte zu 2) als Erbin zu 1/4 ausweist.

Die Gerichtskosten haben die Beteiligten je zur Hälfte zu tragen. Zur Durchführung des Verfahrens notwendige Kosten der Beteiligten haben diese selbst zu tragen

Der Geschäftswert wird festgesetzt auf bis zu 125.000,00 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1 (Beschwerdeführerin) ist 1978 geborenes einziges Kind des Erblassers. Der Erblasser und die Beteiligte zu 2 (Antragsgegnerin) sind in Stettin geboren (158), lebten und heirateten 1982 in Polen. Sie waren und blieben polnische Staatsangehörige. Am 10.07.1984 beantragte der Erblasser für sich und die Beteiligte zu 2. bei der Passabteilung des Wojwodschaftsamtes in Stettin die Erteilung eines Reisepasses für eine Ausreise zu Besuchszwecken in die Bundesrepublik Deutschland für die Zeit vom 01.09. bis zum 01.11.1984 (510). Die Eheleute reisten am 21.08.1984 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wurden am 11.09.1984 im Grenzdurchgangslager Friedland registriert und von dort nach Kiel weitergeleitet. Wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen und ergänzt:

Die Antragsgegnerin gab bei Registrierung als Volkszugehörigkeit deutsch an, der Erblasser polnisch (158). Im Verfahren zur Prüfung des Vertriebenenstatus wurde eine Stellungnahme der Heimatortskartei eingeholt. Wegen deren Inhalts wird auf das Schreiben vom 30.05.1985 Bezug genommen (173). Der im Rahmen der Registrierung bei Einreise erstellte Registrierschein wurde am 17.10.1986 aufgrund eines Schreibens der LHS Kiel vom 08.07.1986 abgeändert. Die Statuseigenschaft für beide wurde von "Nichtvertriebene der Gruppe" auf Aussiedler geändert und sie wurden als Deutsche durch Aufnahme als Aussiedler anerkannt und in die Verteilung einbezogen, der Erblasser als Abkömmling eines deutschen Vaters, die Beteiligte zu 2. als Abkömmling einer deutschen Mutter und Ehefrau eines Vertriebenen nach Maßgabe der Entscheidung des BVerwG v. 16.03.1977 - 8 C 58.76 - (BVerwGE 52, 167ff). Infolgedessen erhielten die Eheleute Vertriebenenausweise A, der Erblasser als heimatvertriebener Volksdeutscher am 26.06.1986, weil dessen aus Lemberg stammender, seit 1944 in der polnischen Armee dienender und danach in Polen lebender Vater (167f) 1984 als volksdeutsch angesehen worden war (149). Die Beteiligte zu 2. hatte eine deutschstämmige Mutter, wurde aber nicht selbst als heimatvertriebene Volksdeutsche angesehen, weil ihre Mutter 1946 von Lübeck nach Stettin übergesiedelt war (159). Der Beteiligten zu 2. wurde aber als Ehefrau eines heimatvertriebenen Volksdeutschen ein Vertriebenenausweis A am 27.10.1986 erteilt (182).

Am 17.10.1986 beantragte der Erblasser bei der polnischen Botschaft in Köln, die Gültigkeit seines Passes zu verlängern und auf die Bundesrepublik Deutschland zu erweitern und diesen auszustellen (517). Darin gab er neben einem Wohnsitz in Stettin und einem Arbeitsplatz bei der Gemeinde Kolbitzow als Auslandsadresse eine Anschrift in Kiel an und, eine monatliche Ausbildungsvergütung von 750,00 DM zu beziehen und eine Bescheinigung beizufügen, die bezeuge, dass er auf Fortbildung geschickt sei. Im Februar 1988 beantragte der Erblasser bei der Passabteilung des Wojwodschaftsamtes in Stettin die Erteilung eines Reisepasses für eine Ausreise zu Besuchszwecken in die Bundesrepublik Deutschland für die Zeit vom 01. bis zum 16.04.1988. Von der Genossenschaft Spolem wurde bestätigt, dass er dort als Kassenmechaniker beschäftigt sei. Sie erteilte ihm Urlaub für die beantragte Zeit (284f, 520ff).

Beide Eheleute erhielten die deutsche Staatsangehörigkeit. Das Bundesverwaltungsamt konnte 2018 nicht feststellen, ob für den Erblasser ein Verfahren zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit durchgeführt worden war (272).

Nachdem die Eltern des Erblassers diesem 1982 Rechte an einer Immobilie in Stettin geschenkt hatten (153ff), teilte der Erblasser das Grundstück, errichtete ein neues Hinterhaus und übertrug später das Vorderhaus wieder an seine Eltern. Die Eheleute erwarben 1996, 2001 und 2006 (151, 153ff (Doppelpaginierung)) Miteigentumsanteile am Vorderhaus. In den auf polnisch abgefassten Verträgen gaben sie jeweils einen Wohnsitz in Polen an. Weiter erwarben die Eheleute 1996 ein Grundstück in Neuwarp (Polen) (154f). Im Kaufvertrag dazu vom 05.04.1996 (174ff = 488ff) erklärten die Eheleute, dass sie den Erwerb der Liegenschaft mit Mitteln der/des "majatku dorobkowego" (gemeinschaftliches Vermögen) tätigten und keine Ehegüterverträge abgeschlossen hätten (487R). Zwischen den Beteiligten ist dabei streitig, ob der Begr...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge