Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine notwendige Prozesskostenhilfe für Berufungsgegner vor Entscheidung über eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss
Leitsatz (amtlich)
1. Auch notwendige Prozesskostenhilfe (§ 119 Abs. 1 S. 2 ZPO) ist nur zu gewähren, wenn die Durchführung der Berufung feststeht.
2. Trotz vorliegender Berufungsbegründung bedarf daher der Berufungsbeklagte solange keines anwaltlichen Beistands, wie nicht sicher ist, dass das Berufungsgericht von der Möglichkeit der Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO) keinen Gebrauch macht.
Normenkette
ZPO § 119 Abs. 1 S. 2, § 522 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Flensburg (Aktenzeichen 3 O 287/04) |
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Berufungsrechtszug wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin hat die Beklagte im ersten Rechtszug auf Rückzahlung eines angeblich gewährten Darlehens i.H.v. 10.000 DM (5.112,91 EUR) in Anspruch genommen. Durch das angefochtene Urteil ist die Klage abgewiesen worden, weil die Klägerin die behauptete Darlehensvereinbarung nicht bewiesen habe.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Mit der am 2.9.2005 eingegangenen Berufungsbegründung hat sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt und für die Berufung Prozesskostenhilfe beantragt. Die Berufungsbegründung ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 6.9.2005 ohne Terminsanberaumung oder Aufforderung zur Fertigung einer Berufungserwiderung zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 7.9.2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten für den Antrag auf Zurückweisung der Berufung Prozesskostenhilfe beantragt.
Der Senat hat durch Beschl. v. 27.10.2005 den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre Berufung zurückgewiesen, weil ihre Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Gleichzeitig hat der Senat angekündigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 ZPO zurückzuweisen. Die Klägerin hat in der verlängerten Frist zur Stellungnahme mit Schriftsatz vom 14.11.2005 ihre Berufung zurückgenommen.
II. Der Beklagten ist die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Verteidigung im Rechtsmittelverfahren zu versagen.
Grundsätzlich liegt ein Fall der sog. notwendigen Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor, bei der weder die Erfolgsaussichten noch die Notwendigkeit der Rechtsverteidigung des Rechtsmittelgegners zu prüfen sind (§ 119 Abs. 1 S. 2 ZPO). Voraussetzung für die Bewilligung ist jedoch nach allgemeiner Meinung, dass die Durchführung des Rechtsmittels feststeht, mithin die Rechtsverteidigung des Rechtsmittelgegners notwendig ist (BGH v. 10.2.1988 - IVb ZR 67/87, FamRZ 1988, 942; OLG Düsseldorf v. 22.10.2002 - 4 UF 188/02, MDR 2003, 658 = OLGReport Düsseldorf 2003, 64; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 119 Rz. 16; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 119 Rz. 55).
Eine Rechtsverteidigung der Berufungsbeklagten war jedoch im Zeitpunkt ihrer Antragstellung am 7./9.9.2005 nicht erforderlich. Für sie bestand kein Grund, sich bereits in diesem Zeitpunkt an dem Verfahren mit Kostenfolgen zu beteiligen. Trotz der vorliegenden Berufungsbegründung der Klägerin war es der Beklagten zuzumuten, abzuwarten, ob das Berufungsgericht von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Berufung der Klägerin nach Versagung von Prozesskostenhilfe und nach einem Hinweis auf die Erfolglosigkeit des Rechtsmittels durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen (OLG Düsseldorf v. 22.10.2002 - 4 UF 188/02, MDR 2003, 658 [659] = OLGReport Düsseldorf 2003, 64; OLG Celle v. 28.10.2003 - 6 U 170/03, MDR 2004, 598 = OLGReport Celle 2004, 24; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 119 Rz. 14). Daran ändert auch nichts, dass nicht nur die Berufungsklägerin, sondern auch die Berufungsbeklagte auf die beabsichtigte Zurückweisung hinzuweisen ist. Daraus, dass einerseits beide Parteien von der beabsichtigten Zurückweisung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zu unterrichten sind, jedoch andererseits nur der Berufungsklägerin Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen ist, folgt ohne weiteres, dass dem Gegner zuzumuten ist, zunächst das weitere Verfahren abzuwarten, bis - ggf. aufgrund der Stellungnahme des Rechtsmittelführers - das Berufungsgericht vom Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO Abstand nimmt (OLG Düsseldorf v. 22.10.2002 - 4 UF 188/02, MDR 2003, 658 [659] = OLGReport Düsseldorf 2003, 64).
Die Berufungsbeklagte bedurfte im Zeitpunkt der Antragstellung auch nicht aus anderen Gründen des anwaltlichen Beistands. Der Einlegung eines selbständigen Rechtsmittels oder der Stellung von Anträgen im Rahmen der Vollstreckbarkeit oder der vorläufigen Einstellung einer Zwangsvollstreckung bedurfte es bei dem klagabweisenden Urteil nicht. Der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für einen Kostenerstattungsanspruch im Falle der Zurücknahme der Berufung oder Zurückweisung der Berufung als unbegründet gem. § 522 ZPO bedurfte es ebenfalls nicht. In beiden Fällen geschieht...