Leitsatz (amtlich)
Das absolute Adoptionshindernis wegen ehelicher Abkömmlinge des Art. 253 türkisches ZGB verstößt bei ausreichender Inlandsbeziehung des Einzelfalls gegen den deutschen „ordre public”.
Orientierungssatz
Anwendung des deutschen „ordre public” auf türkisches Adoptionsrecht.
Normenkette
BGB §§ 1741 ff.; EGBGB Art. 6
Beteiligte
Rechtsanwalt Wulf-Jürgen Rusitska u.a., Georg-Thorn |
Verfahrensgang
LG Kiel (Aktenzeichen 3 T 139/01) |
AG Neumünster (Aktenzeichen 5 XVI 15/99) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Amtsgerichts vom 18.01.2001 werden aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Die Beteiligten sind türkische Staatsangehörige und seit 1965 miteinander verheiratet. Aus ihrer Ehe gingen 2 Töchter und geb. und ein Sohn hervor. Die Betroffenen stammen aus der Ehe des Sohnes mit M. K.. Die Beteiligten leben seit 1970/1973 in der Bundesrepublik Deutschland und haben eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Die Betroffenen wuchsen seit 1990 in deren Haushalt auf. Die Ehe der Eltern der Betroffenen wurde am 20.11.1996 geschieden. Die elterliche Sorge wurde dem Vater zugesprochen. Dieser hat aus beruflichen Gründen seinen ständigen Aufenthalt in der Türkei. Die Mutter ist seit längerem wegen drohender Abschiebung untergetaucht. Durch Beschluß vom 15.10.1997 übertrug das Amtsgericht Bad Bramstedt den Beteiligten (Großeltern) die elterliche Sorge über die Betroffenen (Enkelkinder) als Vormund.
Mit notarieller Urkunde vom 31.05.1999 haben die Beteiligten beim Amtsgericht Bad Bramstedt beantragt, auszusprechen, daß die Betroffenen von ihnen als Kinder angenommen werden, sie als Geburtsnamen ihren Familiennamen erhalten und das Gericht die nach Art. 254 türkisches ZGB erforderliche Einwilligung der Betroffenen in die Annahme als Kind erklärt bzw. ersetzt. Der Vater hat in notarieller Urkunde seine Zustimmung zur Adoptiondurch den Beteiligten zu 1. erklärt. Über den Antrag, die Zustimmung der Mutter zur Adoption zu ersetzen, hat das Amtsgericht nicht entschieden. Das Jugendamt hat im Bericht vom 17.03.2000 die Adoption befürwortet, weil sie dem Wohl der Kinder diene. Die Gemeinsame Zentrale Adoptionsstelle hat in ihrer Stellungnahme vom 2.06.2000 im Hinblick auf Art. 253 türkisches ZGB, wonach der Annehmende keine Kinder haben darf, die Adoption für ausgeschlossen gehalten. Das Amtsgericht hat den Adoptionsantrag abgelehnt. Das Landgericht hat die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß, auf den einschließlich seiner Verweisung zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 77/78; 59 – 61 d.A.), richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.
Das nach §§ 27, 29 FGG zulässige Rechtsmittel ist begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550 ZPO).
Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf den Beschluß des Amtsgerichts ausgeführt: Gemäß Art. 22 Satz 2, 14 Abs. 1 EGBGB (ergänzend: in Verbindung mit Art. 4 EGBGB, Art. 18 des türkischen Gesetzes Nr. 2675 über das internationale Privat – und Zivilverfahrensrecht) unterliege die Annahme durch Ehegatten dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehörten, demnach hier dem türkischen Recht. Einer Annahme der Betroffenen durch die Beteiligten stehe Art. 253 türkisches ZGB entgegen. Nach dieser Bestimmung dürfe eine Annahme an Kindes statt nicht erfolgen, wenn die Annehmenden – wie hier – eheliche Abkömmlinge hätten. Die Vorschrift widerspreche nicht dem deutschen ordre public. Art. 6 EGBGB sei eng auszulegen. Er setze voraus, daß das an sich maßgebende ausländische Recht mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sei, also im konkreten Fall zu einem Ergebnis führen würde, das den Kernbereich der inländischen Rechtsordnung antasten würde. Maßgebend für den Verstoß sei, ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelung und der in ihnen liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehe, daß es für untragbar gehalten werde. Das sei hier im Hinblick auf § 1745 BGB zu verneinen. Auch nach deutschem Recht dürfe unter bestimmten Voraussetzungen eine Adoption nicht ausgesprochen werden. Danach müsse der Richter die Interessen der leiblichen Kinder des Annehmenden gegen die Belange des Anzunehmenden abwägen. Nach türkischem Recht habe der Gesetzgeber diese Wertung bereits vorgenommen, indem er die Interessen der leiblichen Kinder des Annehmenden als so gewichtig bewertet habe, daß eine Annahme an Kindes statt nur bei Kinderlosigkeit zulässig sei. Ein Gegensatz zum deutschen Recht sei damit zwar gegeben, als „mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar” könne die türkische Vorschrift indessen nicht bewertet werden.
Diese Ausführungen sind rechtsfehlerhaft. Zwar wird die grundsätzlich gebotene Anwendbarkeit türkischen Rechts zutreffend bejaht, indessen werden bei de...