Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein die Einstandspflicht der Teilkaskoversicherung ausschließendes grob fahrlässiges Herbeiführen des Versicherungsfalls durch Liegenlassen der Fahrzeugschlüssel auf einem Gasstättentresen
Leitsatz (amtlich)
Der Versicherungsnehmer einer Fahrzeugteilkaskoversicherung handelt trotz späterer Entwendung seiner Fahrzeugschlüssel und des versicherten Fahrzeugs nicht i.S.d. § 61 VVG noch nicht dadurch grob fahrlässig, dass er als Betreiber einer Gaststätte die Fahrzeugschlüsseln zusammen mit anderen für den Gaststättenbetrieb benötigten Schlüsseln an einem Bund in Sichtweite auf dem Gaststättentresen deponiert.
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 22.08.2003; Aktenzeichen 5 O 86/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 22.8.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Kiel wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen (Fahrzeugschaden und Abschleppkosten abzgl. einer Selbstbeteiligung) aus einer bei dieser abgeschlossenen Teilkasko-Fahrzeugversicherung für das Fahrzeug Daimler Chrysler mit dem amtlichen Kennzeichen XYZ, welches dem Kläger in der Nacht zum 5.7.2000 in W. entwendet und kurze Zeit später mit einem Totalschaden in H. wiederaufgefunden wurde. Die Beklagte vertritt die Ansicht, sie sei leistungsfrei, da der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Dieser habe seinen Schlüsselbund inklusive Fahrzeugschlüssel offen auf den Tresen der von ihm betriebenen Gaststätte gelegt, ohne ihn hinreichend beaufsichtigt zu haben. Dadurch habe er den Diebstahl des Schlüssels und später den des Fahrzeuges durch Herrn Günther R. adäquat-kausal verursacht. Ferner habe er es nach der Entdeckung des Schlüsseldiebstahls unterlassen, das zunächst noch vorgefundene Fahrzeug durch einen seiner Angestellten bewachen zu lassen.
Das LG hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 14.123,72 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2000 zu zahlen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen des § 61 VVG seien nicht gegeben, da das Verhalten des Klägers nicht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründe. Auf die tatsächlichen Feststellungen und die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor:
I. Die Entscheidung des LG beruhe auf Verfahrens- und Rechtsfehlern. Das LG habe die Behauptung des Klägers, wonach dieser seinen Platz am Tresen zwischen 23.30 Uhr und 0.30 Uhr nicht verlassen habe, nicht als unstreitig behandeln dürfen. Dieser Aspekt sei erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 4.8.2003 erörtert worden. Der Beklagtenvertreter habe auf die Einlassung des Klägers zwar geschwiegen; dies hätte aber im Zweifelsfall als Bestreiten gewertet werden müssen. Das LG habe insoweit nicht von einem unstreitigen Sachverhalt ausgehen dürfen, ohne sich durch eine entsprechende Nachfrage beim Beklagtenvertreter zu vergewissern. Andernfalls liege ein Verstoß gegen die aus § 139 ZPO folgende prozessuale Erörterungspflicht vor.
II. Dessen unbeschadet habe der Kläger den Versicherungsfall bereits dadurch grob fahrlässig herbeigeführt, dass er den Schlüsselbund vor sich auf den Tresen gelegt habe. Ihn belaste insoweit bereits die Verbindung mehrere Schlüssel (Restaurant, Kasse, Haustür, Kfz) an einem Schlüsselbund. Wenn das LG ausgeführt habe, die Verbindung mehrerer Schlüssel an einem Schlüsselbund sei für sich gesehen nicht grob fahrlässig, so verkenne es die Besonderheiten des konkreten Einzelfalles. Der Kläger habe vor Ort allein den Restaurant- und den Kassenschlüssel benötigt. Daher sei es sinnvoll gewesen, nur diese Schlüssel funktionell an einem Bund zu verbinden. Der Fahrzeugschlüssel habe getrennt aufbewahrt werden müssen. Wenn sich der Kläger für eine gemeinsame Aufbewahrung an einem Bund entschieden habe, so begründe dies eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Während nämlich die Entwendung des Restaurant- und Kassenschlüssels in Anbetracht einer nach Feierabend geleerten Kasse für einen Dieb uninteressant sei, eröffne der Fahrzeugschlüssel für einen potentiellen Dieb den Besitz an einem werthaltigen Kfz.
III. Durch die augenfällige Platzierung des Schlüssels auf dem Tresen habe der Kläger gewissermaßen eine Einladung zum Diebstahl geschaffen. Seine Anwesenheit habe kein zuverlässiges Zugriffshindernis geboten. Dies wäre nur im Falle einer körperlichen Verbindung zum Schlüsselbund der Fall gewesen. Bei der räumlichen Konstellation habe es nur einer geringen Ablenkung des Klägers bedurft, um einen Diebstahl zu ermöglichen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger als Inhaber der Gaststätte durch verschiedene Vorgänge im Lokal (Überwachen des Personals, der Gäste, des Biergartens sowie der Kasse) ständig abgelenkt gewesen sei. Er habe sich im öffentlichen Raum bewegt, in welchem Bewegung geherrscht habe und ...