Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Erlöschen des Wohnungsrechts bei subjektivem Ausübungshindernis
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen das Berufungsgericht bei einem unzulässigen Teilurteil den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits zur Mitentscheidung an sich ziehen kann.
2. Ein subjektives Ausübungshindernis wie die Unterbringung des Berechtigten in einem Alten- und Pflegeheim führt in der Regel nicht zum Erlöschen eines Wohnungsrechts nach § 1093 BGB.
Normenkette
BGB § 1093 Abs. 2; ZPO § 301
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 24.07.2006; Aktenzeichen 10 O 376/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.7.2006 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Lübeck geändert und die Klage nach Heraufziehung des bei dem LG verbliebenen Teils insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Räumung und Herausgabe des Hausgrundstücks B.-str. ... in A., Zahlung einer Entschädigung für die Nutzung dieses Hauses für 30 Monate ab 1.4.2003 i.H.v. 500 EUR monatlich und Zahlung von Anwaltsgebühren i.H.v. 510,28 EUR. An dem fraglichen Hausgrundstück, das die Klägerin als Alleinerbin ihres Ehemannes im Wege der Erbfolge erworben hat, ist zugunsten der Mutter der Beklagten ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht gemäß dem notariellen Überlassungsvertrag vom 13.5.1975 bestellt und im Grundbuch eingetragen worden. Die Wohnungsberechtigte lebt seit dem 29.3.2003 zunächst in einem Pflegeheim und seit dem 8.12.2003 in der E. in C. in vollstationärer Pflege.
Die Beklagte hält sich seit 1998 in dem fraglichen Haus auf.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Wohnrecht der berechtigten Mutter der Beklagten sei mit deren Übersiedlung in ein Pflegeheim zum 1.4.2003 erloschen. Infolgedessen habe sich auch die Beklagte dort nicht mehr aufhalten dürfen. Sie schulde wegen der unberechtigten Nutzung der Räumlichkeiten ab 1.4.2003 Nutzungsentschädigung i.H.v. 500 EUR je Monat und zudem die Räumung und Herausgabe des Hauses.
Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe ihre Mutter unter Mitbenutzung der Wohnung seit 1998 gepflegt. Nachdem die Mutter Ende März 2003 in Kurzzeitpflege in ein Pflegeheim gezogen sei, habe sich zwischenzeitlich ihr gesundheitlicher Zustand verbessert, sodass sie - die Beklagte - ihre Mutter je nach Wunsch und Fitness ganz oder teilweise wieder in ihre Wohnung aufgenommen und sie dort auch gelegentlich übernachtet habe.
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der dortigen Verweise Bezug genommen.
Das LG hat im Wege des Teilurteils dem Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Räumung und Herausgabe des Hauses an die Klägerin stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe kein Recht zum Besitz an den Räumlichkeiten. Zwar habe ihre Mutter 1975 im Zuge eines Überlassungsvertrages ein im Grundbuch eingetragenes Wohnrecht gem. § 1093 BGB erhalten und sei befugt gewesen, die Beklagte als ihre Tochter in ihre Wohnung - wie geschehen - aufzunehmen. Seit Dezember 2003 lebe die Überlasserin aber in vollstationärer Pflege eines Heimes und sei aus gesundheitlichen Gründen nicht fähig, das Wohnrecht selbst auszuüben. Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit ende grundsätzlich mit der Möglichkeit, das Recht selbst auszuüben. Damit ende auch das Recht zur Aufnahme der Beklagten. Soweit es zu Besuchen der Mutter bei der Beklagten gekommen sei, spiele dies aus Rechtsgründen keine Rolle, denn insoweit habe die Beklagte eigenmächtig und ohne Einverständnis der Betreuerin der Mutter, zu deren Aufgabenkreis das Aufenthaltsbestimmungsrecht gehöre, gehandelt.
Gegen dieses Teilurteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagte macht geltend:
Es liege ein unzulässiges Teilurteil vor. Zudem sei das LG zu Unrecht von dem Erlöschen des im Grundbuch eingetragenen Wohnungsrechts ihrer Mutter ausgegangen. Das Wohnungsrecht erlösche erst mit dem Tode des Wohnungsberechtigten, ein nur subjektives Ausübungshindernis reiche nach Rechtsprechung und Literatur nicht.
Die Beklagte beantragt, das Teilurteil des LG aufzuheben und die Klage im angefochtenen Umfang an das LG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin macht geltend:
Die Auffassung, dass hier die Gefahr widerstreitender Entscheidungen bestehe, sehe sie anders, möchte dazu aber im Hinblick auf die Straffung des Prozessstoffes keine weiteren Ausführungen beisteuern. Die Beklagte habe allerdings nicht einmal aus abgeleitetem Re...