Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtshaftungsansprüche wegen überlanger Gerichtsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Der verfassungsrechtliche Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit erlangt auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB Bedeutung.
Normenkette
GG Art. 34; BGB § 839 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 10.09.2010) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.9.2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des LG Kiel wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages, es sei denn, das beklagte Land leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 49.124,30 EUR festgesetzt.
Gründe
I.) Die Klägerin verlangt vom beklagten Land Schadensersatz wegen verzögerter Bearbeitung einer beim LG. unter dem Aktenzeichen ... anhängig gewesenen Werklohnklage. Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrages der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des LG wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das LG hat die auf Zahlung von 49.124,30 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie weitere 1.641,96 EUR gerichtete Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe eine schadensverursachende Pflichtverletzung der mit ihrer Zivilklage befassten Richter des LG. bzw. der mit der Zuteilung der Dezernate befassten Präsidiumsmitglieder nicht dargelegt. Eine solche ergäbe sich auch nicht nach Durchsicht der beigezogenen Akte des LG. zum Vorverfahren ... Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung geltend:
- Das LG habe den erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin zum individuellen Fehlverhalten der für die Bearbeitung der Werklohnklage zuständigen Richter nur teilweise erörtert. Es sei auf das Verhalten der Richter A, B und C gar nicht eingegangen.
- In Bezug auf die Richterin am AG A habe sie, die Klägerin, im ersten Rechtszug vorgetragen, dass diese einen früheren Termin zur Beweisaufnahme hätte anberaumen müssen, da sie zum Zeitpunkt der Terminsanberaumung bereits gewusst habe, dass sie den anberaumten Termin am 13.8.2003 wegen ihres Wechsels in den Dienst des Landes Niedersachsen nicht mehr würde wahrnehmen können.
- Hinsichtlich des Richters B habe sie, die Klägerin, im ersten Rechtszug vorgetragen, dass dieser für August oder September 2004 einen Termin zur Beweisaufnahme habe anberaumen können und müssen, da zu Beginn seiner Vertretungstätigkeit am 1.6.2004 bereits ein noch nicht abgearbeiteter Beweisbeschluss vom 6.6.2003 vorgelegen habe und der Richter B davon ausgehen habe müssen, dass er das Dezernat der schwer erkrankten Richterin D langfristig bearbeiten müsse. Mit einer kurzfristigen Gesundung der Richterin D sei damals nicht zu rechnen gewesen. Der Richter B hätte der Gegenpartei des Vorverfahrens eine Fristverlängerung versagen müssen, da Gründe für eine solche nicht vorgetragen gewesen seien.
- Hinsichtlich des Richters am LG C habe sie, die Klägerin, mit Schriftsätzen vom 14.06. und 26.8.2010 ein individuelles Fehlverhalten vorgetragen. Auf den Inhalt dieser Schriftsätze werde insoweit verwiesen. Der Richter C hätte gleich nach der Übernahme des Dezernates im Oktober 2004 einen Termin zur Beweisaufnahme anberaumen können und müssen, da bereits ein Beweisbeschluss vom 6.6.2003 vorgelegen habe, der noch nicht abgearbeitet gewesen sei. Außerdem habe ein Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 30.3.2004 vorgelegen.
- Der Richterin am LG E werde ein Fehlverhalten nicht vorgeworfen.
- Dem Proberichter F sei vorzuwerfen, dass er einen Verhandlungstermin erst für den 25.7.2006 anberaumt gehabt habe, obwohl das Sachverständigengutachten bereits am 22.3.2006 vorgelegen habe. Der Proberichter F hätte das streitgegenständliche Verfahren vorrangig und mit besonderer Intensität behandeln müssen, da es sich um ein bereits im Januar 2003 rechtshängig gewordenes Altverfahren gehandelt habe. Er hätte daher einen früheren Termin anberaumen müssen. Er hätte diesen Termin von vorneherein mit den Prozessbevollmächtigten absprechen müssen. Dann wäre es nicht zu einer zweimaligen Terminsverlegung gekommen.
- Dem Proberichter G sei kein Fehlverhalten vorzuwerfen.
- Auf den Vorwurf des Organisationsverschuldens sei das LG überhaupt nicht eingegangen. Das für die Geschäftsverteilung zuständige Präsidium hätte eine Vertretung für die langfristig erkrankte Richterin D schon zum 1.4.2004 einsetzen müssen und nicht erst zum 1.6.2004. Es hätte als Vertreter auch einen Richter bestimmen müssen, der das Dezernat langfristig hätte bearbeiten können.
- Das Präsidium hätte in den Jahren 2006 und 2007 nicht jeweils Proberichter mit der Bearbei...