Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs aus enteignendem Eingriff für Fraßschäden durch Pfeifenten, die sich infolge einer Eindeichungsmaßnahme vermehrt haben.
Orientierungssatz
Enteignender Eingriff durch Folgen einer Eindeichungsmaßnahme.
Normenkette
GG Art. 14; Einl ALR § 74 f.; LNaturschutzG § 42
Tatbestand
Die Parteien streiten um Entschädigungsansprüche, die der Kläger gegen das beklagte Land mit der Behauptung geltend macht, Maßnahmen des Landes – insbesondere die Eindeichung der A.-Bucht auf über 3.300 ha und die dortige Errichtung eines Naturschutzgebietes – hätten auf seinen landwirtschaftlichen Flächen in B. zu erheblichen Fraßschäden seit dem Winter 1990/91 durch Pfeifenten sowie Nonnen- und Ringelgänse geführt.
Durch die 1987 vollendete Eindeichung ist es in dem neu entstandenen C.-Koog zu einer Vermehrung des Pfeifentenbestandes bis 1990/91 um das Dreifache gekommen. Dieser Bestand ist zwischenzeitlich wieder erheblich zurückgegangen. Der Kläger betreibt in ca. 20 km Entfernung von dem Naturschutzgebiet einen landwirtschaftlichen Betrieb. Er baut dort auf 40 % seiner Flächen Winterraps und Wintergetreide an. Diese Flächen sind nach seiner Behauptung von den Fraßschäden überwiegend betroffen. Sein Gewinn sei in den Wirtschaftsjahren 1990/91 bis 1993/94 um 1/3 existenzgefährdend zurückgegangen. Das Land hat an die von Fraßschäden betroffenen Landwirte freiwillige Ausgleichszahlungen geleistet, mit denen im Fall des Klägers für den genannten, streitgegenständlichen Zeitraum 25 % der behaupteten Schäden ersetzt worden sind.
Die auf weitere Entschädigungsleistungen gerichtete Klage hat das Landgericht nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen D. abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffendem Rückgriff auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. ausgeführt, daß dem Kläger kein Anspruch auf die begehrten Entschädigungsleistungen gegen den Beklagten zusteht.
Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 45 des Landschaftspflegegesetzes und auch nicht aus § 42 des Landesnaturschutzgesetzes, das seit dem 1. Januar 1994 das Landschaftspflegegesetz ersetzt hat. Soweit der Kläger die Fraßschäden zentral zurückführt auf die durch den Beklagten vorgenommene Eindeichung der A.-Bucht und die Bildung des sogenannten C.-Kooges handelt es sich dabei nicht um Maßnahmen nach dem Landschaftspflegegesetz bzw. dem Landesnaturschutzgesetz. Die Eindeichung ist vielmehr eine Reaktion des Beklagten auf die Ergebnisse der schweren Sturmfluten der Jahre 1962 und 1976 und die flächenhaften Abtragungen an der Wattlinie. Das Land hat mit dieser Eindeichung keine Naturschutzaufgaben sondern Aufgaben des Küstenschutzes und damit einen Teilbereich der allgemeinen polizeilichen Aufgaben zum Schutze seiner Einwohner und ihres Eigentums wahrgenommen (….)
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff über die bereits freiwillig von dem Beklagten geleisteten Entschädigungszahlungen von ca. 25 % des ihm nach seiner Behauptung entstandenen Schadens hinaus. Allerdings ist im Grundsatz ein Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff weiterhin anerkannt. Er findet seine Grundlage im allgemeinen Aufopferungsgrundsatz der §§ 74, 75 Einl. ALR in seiner richterrechtlichen Ausprägung (BGHZ 91, 20, 28 mwN; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, S. 269 ff.). Er findet vor allem dort seinen Anwendungsbereich, wo rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen – gerade auch staatliche Realakte – als meist unvorhergesehene Nebenfolge das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum des Einzelnen über eine Zumutbarkeitsschwelle hinaus beeinträchtigen (vgl. etwa BGH NJW 1980, 770 ff., BGHZ 91, 20, 26 f und Ossenbühl, a.a.O., S. 273 f.).
Entgegen der Auffassung des Beklagten scheitert ein Anspruch des Klägers aus dieser Anspruchsgrundlage nicht bereits an dem erforderlichen Sonderopfer. Für die Frage, ob die Beeinträchtigung des Eigentums die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreitet, ist zwar wesentlich auch auf die Situationsgebundenheit des konkreten Grundstückes abzustellen (vgl. BGH RdL 1988, 329, 330 und Ossenbühl a. a. O., S. 276 f.). Der Senat vermag dem Beklagten jedoch nicht in der Überlegung zu folgen, die landwirtschaftlichen Flächen des Klägers auf A. seien wegen ihrer Belegenheit im Bereich des Nationalparkes Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer besonders engen sozialen Bindungen unterworfen und die hier fragliche Einschränkung in Form der Fraßschäden durch Pfeifenten und Meeresgänse sei deshalb nur Ausdruck der sozialen Gebundenheit seines Grundbesitzes.
Diese Argumentation übersieht nämlich, daß die Eindeichungsmaßnahme, die nach Behauptung des Klägers entscheidende Ursache für die entstandenen Fraßschäden sein soll, nicht dem Schutz des Schleswig-Holsteinischen Wattenmeeres dient. Im Gegenteil sind mit der Eindeichung ...