Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbausschlagung "aus allen Berufungsgründen" und Pflichtteil gem. § 2306 Abs. 1 BGB
Normenkette
BGB § 2306 Abs. 1, § 2314 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 18.12.2013) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.12.2013 verkündete Teil-Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Lübeck wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Auskunft nach Ziff. 1. d) über die vom Erblasser zu seinen Lebzeiten zugunsten Dritter getätigten Zuwendungen innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall zu erteilen ist.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, es sei denn, der Kläger leistet vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Gründe
I. Der Kläger begehrt als Pflichtteilsberechtigter im Wege der Stufenklage auf der ersten Stufe Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 4.10.2012 im Alter von 83 Jahren verstorbenen Herrn A durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Kläger und Beklagte sind die beiden Kinder des Erblassers und seiner am 4.11.2009 vorverstorbenen Ehefrau B. Der Erblasser und seine Ehefrau hatten am 15.8.2008 ein gemeinschaftliches Testament zur UR-Nr. 776/2008 des Lübecker Notars ... errichtet ... Darin setzten sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben und ihre beiden Kinder zu gleichen Teilen als Schlusserben nach dem Tod des Letztversterbenden. Außerdem beschwerten sie die Schlusserben mit einem Vermächtnis, wonach die Beklagte das Hausgrundstück in der X-Straße ... zu Alleineigentum und beide Kinder das Hausgrundstück in der Y-Straße ... zu je ½ ideellen Miteigentumsanteil erhalten sollten. Es war der Wunsch der Eltern, dass die beiden Grundstücke im Familienbesitz verbleiben sollten. Mit notariell beglaubigtem Schreiben vom 13.11.2012 hat der Kläger "die Erbschaft aus allen Berufungsgründen" ausgeschlagen (Bl. 32 d.A.). Auch die beiden Kinder des Klägers haben die Erbschaft aus allen Berufungsgründen ausgeschlagen, und zwar am 28.11.2012 (so der unbestrittene Vortrag der Beklagten, Bl. 31 d.A.).
Hinsichtlich des Wortlauts des gemeinschaftlichen Testaments vom 15.8.2008 sowie des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das LG hat entschieden, dass die Stufenklage zulässig und mit ihrem Auskunftsbegehren in der ersten Stufe auch begründet sei. Die Beklagte sei als Erbin gegenüber dem Kläger als Pflichtteilberechtigtem gem. § 2314 BGB auskunftspflichtig. Gemäß § 2306 BGB könne auch ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlage, sofern dieser z.B. mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert sei. Der Kläger sei im Verhältnis zur Beklagten beschwert, da sie einen größeren Anteil an den zur Erbmasse gehörenden Immobilien erhalte. Der Pflichtteilsanspruch des Klägers sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil er die Ausschlagung "aus allen Berufungsgründen" erklärt habe. Eine derartige Ansicht werde lediglich vereinzelt in der Literatur geäußert. Die Entscheidung des OLG Celle vom 6.7.2006 sei hier nicht heranzuziehen, da ihr kein Fall des § 2306 BGB zugrunde liege. Der Kläger sei sowohl als gesetzlicher als auch als eingesetzter Erbe durch das Vermächtnis beschwert, wobei die rechtliche Einordnung als Vermächtnis oder Auflage dahingestellt bleiben könne, da sich daraus im Hinblick auf § 2306 BGB keine Unterschiede ergäben. Gemäß § 2161 BGB sei davon auszugehen, dass das Vermächtnis auch nach der Ausschlagung wirksam bleibe. Die Auslegung des Testaments führe somit dazu, dass der Kläger sowohl als gesetzlicher als auch als gewillkürter Erbe mit Beschränkungen i.S.v. § 2306 BGB belegt gewesen sei, so dass er trotz Ausschlagung der Erbschaft aus allen Berufungsgründen einen Anspruch auf den Pflichtteil habe. Daher stehe ihm auch der Auskunftsanspruch gem. § 2314 BGB mit den von ihm geltend gemachten Bestandteilen zu.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingereichte und begründete Berufung der Beklagten. Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung geltend: Der Kläger sei als Erbe nicht pflichtteilsberechtigt gewesen und sei dies nach der Ausschlagung auch nicht gem. § 2306 BGB geworden. Da der Kläger aus allen Berufungsgründen die Erbschaft ausgeschlagen habe, habe er damit zu verstehen gegeben, dass er aus allen ihm bekannten und unbekannten Gründen auf die Erbschaft verzichte und auf keinen Fall (Mit-)Erbe sein wolle. Derjenige, der aus allen Berufungsgründen ausschlage, verliere auch seinen Pflichtteilsanspruch, da sich dieser nach dem gesetzlichen Erbteil berechne, auf den der Ausschlagende ebenfalls verzichtet habe. Außerdem sei der Kläger weder durch das Erbe noch durch das Ver...