Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzfähigkeit eines Haushaltsführungsschadens bei Unterstützung der Eltern
Normenkette
BGB § 253 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 843 Abs. 1, § 1601
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 28.06.2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.03.2015 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. der Klägerin alle materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 14.02.2012 zu ersetzen hat, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind;
3. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.880,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.03.2015 zu zahlen;
4. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.150,49 EUR zu erstatten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Parteien tragen die Kosten des ersten Rechtszugs wie folgt:
Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 1. 31 %. Die Klägerin trägt die Gerichtskosten zu 69 %, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. zu 39 % und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. voll.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 2.240,00 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Berufungsverfahren darum, ob die Klägerin von der Beklagten zu 1 wegen der Verletzung von Streupflichten Ersatz für Haushaltsführungsschäden verlangen kann. Die Klägerin hat unter anderem einen Haushaltsführungsschaden darauf gestützt, dass sie wegen ihrer Verletzung ihrer zum Unfallzeitpunkt 98 Jahre alten Mutter, die allein in einer eigenen Wohnung lebte, den Haushalt nicht mehr habe führen können. Das Landgericht hat der Klägerin deswegen einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.240,00 EUR gegen die Beklagte zu 1 zugesprochen.
Von der weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil ist unzweifelhaft nicht gegeben (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
II. Die auf einen Teil des landgerichtlichen Urteils beschränkte Berufung der Beklagten zu 1 hat in diesem Umfang Erfolg.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.240,00 EUR aus § 823 Abs. 1 BGB wegen unfallbedingter Einschränkungen bei der Haushaltsführung für ihre Mutter. Hierfür fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.
1.1. Gesetzliche Grundlage des Anspruchs auf Ersatz eines Haushaltsführungsschadens ist § 843 Abs. 1 BGB. Danach ist dem Verletzten Schadensersatz durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten, wenn infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert wird oder eine Vermehrung der Bedürfnisse eintritt. Soweit der Verletzte den eigenen Haushalt führt, sind seine Bedürfnisse vermehrt, weil eine Haushaltshilfe benötigt wird (vgl. BGH NJW-RR 1990, 34 Juris Rn. 8), unabhängig davon, ob diese tatsächlich in Anspruch genommen wird oder nicht. Wenn die Unterhaltsleistung gegenüber Familienangehörigen eingeschränkt ist, ist die Erwerbsfähigkeit gemindert (vgl. Palandt/Sprau, 77. Aufl., § 843 BGB Rn. 8). Derjenige Ehegatte, der in der Ehe den Haushalt führt, bringt seinen nach § 1360 BGB geschuldeten Beitrag zum Familienunterhalt durch Einbringung und Verwertung seiner Arbeitskraft. Daraus folgt, dass er im Falle der Verletzung seiner Person und einem sich daraus ergebende Unvermögen zur Erfüllung der Haushaltsführungspflicht einen eigenen, wirtschaftlich messbaren Schaden erleidet, den der Schädiger zu ersetzen verpflichtet ist (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 1553-1537, Juris Rn. 16).
Kein Schadensersatz kann dagegen verlangt werden, wenn kein wirtschaftlich messbarer Schaden entsteht, das Vermögen also nicht gemindert wird. Denn gemäß § 253 Abs. 1 BGB kann wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. Eine gesetzliche Bestimmung, die für Nachteile entschädigt, die dadurch entstehen, dass jemand im Falle einer Verletzung des Körpers einer sittlichen Verpflichtung nicht nachkommen kann, fehlt. Sittliche Verpflichtungen werden zwar gesetzlich nicht als irrelevant angesehen, sie sind aber beispielsweise in § 814 BGB berücksichtigt und können damit Rechtswirkungen entfalten. Eine Erweiterung von Ersatzpflichten im Bereich des Deliktsrechts bedarf allerdings einer entsprechenden gesetzlichen Regelung (vgl. OLG Düsseldorf, am angegebenen Ort, Juris Rn. 21). Die analoge Anwendung des § 843 Abs. 1 BGB auf diesen Fall ist deshalb nicht möglich. Zudem können derartige Beeinträchtigungen im Rahmen des Schmerzensgeldes berücksichtigt ...