Entscheidungsstichwort (Thema)
Stellung eines Unternehmers als Verwaltungshelfer bei Anbringung von Leitplanken
Leitsatz (amtlich)
1. Es stellt einen Fall deliktischer Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB und nicht einen Fall der Amtshaftung gemäß § 839 Abs. 1 BGB dar, wenn ein mit dem Anbringen von Leitplanken im Rahmen des Ausbaus einer öffentlichen Straße beauftragter Unternehmer eine Versorgungsleitung beschädigt. In aller Regel ist der Unternehmer nicht "Verwaltungshelfer" im Sinne der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Amtshaftung (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - III ZR 124/18 -).
2. Verlässt der Unternehmer sich bei der Erkundigung nach dem Verlauf der Versorgungsleitungen anstelle einer Erkundigung bei den Versorgungsträgern auf Angaben Dritter - etwa eines Vorunternehmers -, so muss er wenigstens sicherstellen und überprüfen, dass dieser seinerseits Erkundigungen bei den Versorgungsträgern eingeholt hat.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 839 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 19. Februar 2021 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35.211,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der IZB seit dem 3. Juli 2020 zu zahlen und die Klägerin von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.336,90 EUR gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten freizustellen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle künftigen materiellen Schäden anlässlich der Beschädigung eines Stromkabels durch Mitarbeiter der Beklagten auf der XXXX Straße am 23.07.20219 zu ersetzen.
Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge einschließlich der Kosten des Streithelfers.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch kann die Beklagte die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutragenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Ersatz von Schäden, die infolge der Beschädigung eines Stromkabels bei Straßenbauarbeiten im Betrieb der Klägerin entstanden sind.
Die Beklagte, ein Tief- und Straßenbauunternehmen, war im Rahmen einer Straßenerneuerung mit der Montage neuer Schutzplatten beauftragt worden. Straßenbaulastträger dieses über den Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein abgewickelten Auftrags ist der Streithelfer der Klägerin. Ausweislich der Baubeschreibung (BB 11, dort unter 2.10) war der Auftragnehmer auf Leitungen und Kabel verschiedener Versorgungsträger hingewiesen worden und darauf, dass er sich vor Abgabe seines Angebots bezüglich deren Lage bei den Versorgungsträgern zu erkundigen habe (2.10).
Am 23. Juli 2019 beschädigten Mitarbeiter der Beklagten im Rahmen dieser Montagearbeiten ein erdverlegtes Stromkabel. Der genaue Ort der Beschädigung ist streitig. Wie im Berufungsverfahren von der Beklagten selbst eingeräumt worden ist, habe sie allerdings nicht selbst Erkundigungen betreffend die Leitungen vorgenommen, sondern habe sich als bloße Nachunternehmerin auf Erkundigungen und Suchgrabungen der A. AG als Hauptauftragnehmerin verlassen. Deren Erkundungsmaßnahmen hätten an der Stelle der durchgeführten Rammarbeiten aber nicht die Lage eines derartigen Kabels ergeben.
Aufgrund des Kabelschadens kam es zu einem mehrstündigen Stromausfall, der nach Darstellung der Klägerin im von dieser unter der Anschrift XXXX betriebenen Asphaltmischwerk zu Schäden führte, namentlich zur Beschädigung von Teilen der Anlagesteuerung. So habe u.a. der Mischrechner des Asphaltmischwerks erneuert, Störungen am Kompressor der Mischanlage beseitigt und zu schnell erkaltetes Material herausgestemmt werden müssen. Während der Dauer der Reparaturarbeiten sei es außerdem zu Produktionsausfällen gekommen. Die Wiederinbetriebnahme der Anlage habe am Schadenstag erst gegen 21:00 Uhr erfolgen können.
Die Klägerin macht den ihr insgesamt und in der Klagschrift im Einzelnen näher bezifferten Schaden in Höhe von 35.211,75 EUR gegenüber der Beklagten und nicht gegenüber dem Straßenbaulastträger geltend.
Die Klägerin und ihr Streithelfer haben bereits erstinstanzlich die Beklagte gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadenersatz verpflichtet gehalten. Die Beauftragung der Beklagten habe weder eine Beleihung des Privaten mit hoheitlichen Aufgaben dargestellt, noch habe diese als Verwaltungshelferin im Rahmen der öffentlichen Verwaltung gehandelt. Die Beklagte habe vielmehr eine eigenständige zivilrechtliche Erkundigungs- und Sicherungspflicht bezüglich der verletzten Versorgungsleitungen verletzt. Demgegenüber hält die Beklagte sich als sogenannte Verwaltungshelferin und damit als Beamtin im haftungsrechtlichen Sinne zugunsten einer Haftung des Streithelfers der Beklagten aus § 839 BGB, Art. 34 GG für nicht passivlegitimiert. Die ...